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Abbildung 1: Fatih-Moschee in Essen |
Auch in Seminarhäusern und anderen Beherbergungsbetrieben spiegelt sich der gesellschaftliche Wandel wieder: Unter den Gästen dürfen immer häufiger auch Muslime begrüßt werden. Im Islam gelten Speisevorschriften, die von den Gläubigen zu beachten sind. Wir drücken unseren Respekt vor anderen Religionen aus, indem wir uns mit den Speisevorschriften auseinandersetzen und den Gästen so weit wie möglich entgegenkommen.
Im Islam gibt es nicht die eine übergeordnete Organisation oder Kirche, sondern zahlreiche Rechtsschulen, muslimische Vereinigungen oder auch einzelne Gelehrte, die auch bei den Speisegeboten abweichende Positionen einnehmen können. Im Zweifelsfall ist es immer am einfachsten mit den Kunden zu sprechen und zu fragen, welche Produkte akzeptiert werden.
Halal (helal auf türkisch) kommt aus dem Arabischen. Es bedeutet "das Zulässige, Erlaubte und Gestattete". Der Gegenbegriff ist haram, "das Unzulässige, Verbotene und nicht Gestattete". Speisevorschriften werden vor allem zwei Quellen entnommen: Der Qur’an (Koran) ist die Heilige Schrift der Muslime und gilt als die wörtliche Offenbarung Gottes (arabisch Allah) an den Propheten Mohammed. Die Sunnah (arabisch Brauch, Tradition) enthält Taten und Zitate des Propheten. Es ist weitgehender Konsens unter den Muslimen, dass alles, was weder durch Qur’an noch durch Sunnah verboten (haram) ist, verzehrt werden darf. Ist etwas unklar, kann ein Gelehrter (Âlim) klarstellen, ob etwas schon haram oder noch halal ist. Die Kommission des Codex Alimentarius beschreibt allgemeine Richtlinien zu "halal". Sie schränkt allerdings schon in ihrer Einleitung ein, dass die von dort beschriebenen Speisevorschriften von den Lehren einiger Islam-Schulen abweichen können.
In Sure 5 (Suretul Maide) Vers 3 heißt es: "Verboten ist euch das Verendete sowie Blut und Schweinefleisch und das, worüber ein anderer als Allahs Name angerufen wurde; das Erdrosselte, das zu Tode Geschlagene, das zu Tode Gestürzte oder Gestoßene und das, was Raubtiere angefressen haben, außer dem, was ihr geschlachtet habt (...). Wer aber durch Hungersnot gezwungen wird, ohne sündhafte Neigung – so ist Allah Allverzeihend, Barmherzig."
Übereinstimmend finden sich dazu in mehreren Quellen folgende Produkte, die nicht erlaubt sind:
Alle Lebensmittel, die aus Schweinefleisch bestehen oder Bestandteile enthalten;
Fleisch von Tieren, die sowohl auf dem Land, wie auf dem Wasser leben, wie Krokodile, Schildkröten und Frösche;
Fleischfressende Tiere mit Fangzähnen wie Löwen, Wölfe, Bären oder Tiger;
Hunde und Affen,
Raubvögel z. B. Adler, Geier und Falken oder ähnliche Vögel;
Landtiere ohne Ohren, wie beispielsweise Schlangen;
Giftige Tiere,
Schädlinge z. B. Ratten, Tausendfüßler, Skorpione oder ähnliche Tiere;
Tiere, die generell als abstoßend gelten wie Maden, Läuse und Fliegen;
Tieren, die im Islam nicht getötet werden dürfen wie Bienen, Ameisen und Spechte;
Aas,
Blut,
Alles Berauschende (Drogen sowie alkoholhaltige Getränke). Auch Produkte, denen der Alkohol entzogen wurde, wie bei alkoholfreiem Bier, gelten als haram.
Damit Produkte nicht spirituell unrein (Nadjis) werden, dürfen sie während des Transports, der Lagerung oder Produktion nicht durch Dinge, die als haram gelten, verunreinigt werden.
Erlaubt ist Fleisch allerdings nur, wenn die Schlachtung nach islamischem Ritus durchgeführt wurde. Das Schlachten von Wirbeltieren ohne Betäubung (schächten) ist in Deutschland für Religionsgemeinschaften nur mit Ausnahmegenehmigung erlaubt. Es wurde ein Kompromiss zwischen Jahrhunderte alten Traditionen und modernem Tierschutz gefunden: Die Tiere werden erst betäubt und anschließend wird mit einem Schnitt die Kehle durchschnitten. Dabei werden die Luft- und Speiseröhre sowie die wichtigsten Arterien und Venen im Halsbereich durchtrennt. Das soll durch gläubige Muslime durchgeführt werden und das Tier muss vollständig ausbluten.
Laut eines Gerichtsurteils des EuGH vom 26. Februar 2019 (Urteil in der Rechtssache C-497/17) darf Fleisch, bei dem ein Tier ohne vorherige Betäubung rituell geschlachtet wurde, nicht das europäische Bio-Logo tragen. In der Pressemitteilung des Gerichts wurde als Begründung angegeben, dass die betäubungslose Schlachtung nicht die Tierschutzstandards erfüllt. Ziel ist es, durch die Betäubung das Leiden der Tiere so weit wie möglich zu verringern. Dies sah das Gericht bei einer rituellen Schlachtung durch einen präzisen Halsschnitt nicht gewährleistet [1].
→ Fische und Meeresfrüchte gelten grundsätzlich als erlaubt. Fische mit Schuppen und Flossen hingegen werden von allen Muslimen akzeptiert. Fische ohne Schuppen (z. B. Aal), stoßen aber bei einigen Gläubigen auf Ablehnung. Auch die Ansichten bei Mollusken (Weichtieren wie Schnecken, Muscheln und Kopffüßler) und Crustaceen (Krebstieren) gehen auseinander.
Seit einigen Jahren lässt die EU schrittweise Insekten zum Verzehr zu. Es begann im Juni 2021 mit dem gelben Mehlwurm (Tenebrio molitor Larve), gefolgt von der Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) und der Hausgrille (Acheta domesticus). Zuletzt kam im Januar 2023 der Getreideschimmelkäfer Alphitobius diaperinus hinzu. Die verwendeten Insekten müssen als Zutat klar und verständlich deklariert werden [2]. Bei Produkten, die Wanderheuschrecken enthalten, muss auf eine mögliche Kreuzreaktion bei einer bestehenden Allergie gegen Krusten- oder Weichtiere sowie Hausstaubmilben hingewiesen werden [3].
Ebenso wie im → Judentum ist der Verzehr von wirbellosen Maden und Würmer im Islam strikt verboten. Eine Ausnahme gilt für Heuschrecken, die laut Überlieferungen von Mohammed ausdrücklich erlaubt sind. Mehr Insekten in Lebensmitteln billigt die in Nordafrika verbreitete Rechtsschule der Malikiten, vorausgesetzt die Tiere sind vor dem Verzehr tot [4].
Für den Verzehr geeignete pflanzliche Lebensmittel können verwendet werden.
Bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2
Volumenprozent wird der Alkoholgehalt gekennzeichnet → Lebensmittelkennzeichnung.
Der Alkohol wird ebenfalls bei Lebensmitteln deklariert, die Alkohol als
Aromazutat enthalten wie beispielsweise Süßigkeiten, Gebäck und
Fertiggerichte.
Entsteht der Alkohol jedoch durch Gärung wie bei Säften oder Kefir gibt
das Etikett darüber keine Auskunft. Das Gleiche gilt in der Regel, wenn
der Alkohol dazu dient, Aromen zu lösen. Bei einigen Lebensmitteln steht
auf dem Etikett, dass die Aromen mit Ethanol gelöst sind. Ebenso muss
nicht deklariert werden, wenn der Alkohol bei der Herstellung als
Reinigungsmittel dient.
Die moderne Lebensmittelindustrie informiert kaum über die Herstellungsbedingungen. So ist es kaum möglich, beim Einkauf zu entscheiden, welche Lebensmittel, Zutaten oder Fertigprodukte halal sind. Auch ist es praktisch kaum durchführbar, anhand einer E-Nummern-Liste Lebensmittel mit → Zusatzstoffen, die als haram gelten, auszusortieren. Um dem Verbraucher die Sicherheit zu geben, dass Lebensmittel den Vorgaben aus Qur’an und Sunnah entsprechen, gibt es Halal-Zertifikate. Vergeben werden sie durch Zertifizierungsstellen, wie beispielsweise das EHZ - Europäische Halal Zertifizierungsinstitut, Halal-Europe, Halal Zertifikat IIDC Austria, m-haditec GmbH & Co. KG oder ECT GmbH Engineering Consulting Trading. Das im Jahr 2012 von der Gütegemeinschaft Halal-Lebensmittel e. V. eingeführte RAL Gütezeichen Halal-Lebensmittel wurde am 31.12.2019 wieder zurückgerufen. Es ist schwierig, zu beurteilen, wie streng die Vorgaben im Detail sind, nach denen die Halal-Siegel vergeben werden. Auf einigen Verpackungen wird der Name des zertifizierenden Instituts angegeben und manchmal auch durch eine Internetadresse ergänzt. In diesen Fällen ist es möglich zu prüfen, welche islamischen Autoritäten (Verbände, Persönlichkeiten etc.) dahinterstehen. Daneben gibt es noch eine Vielzahl einfacher Siegel, die "halal" versprechen, aber nur aus dem Schriftzug in lateinischen oder arabischen Buchstaben bestehen. Oft finden sich Abbildungen von Halbmond, Minarett, Moschee oder Ähnlichem. Die Verbraucherzentralen (Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.) weisen auf der Internetseite "Lebensmittelklarheit" darauf hin, dass in Europa die Kennzeichnung "halal" lebensmittelrechtlich nicht geschützt ist ( Halal-Siegel: Einkaufshilfe für Muslime?). Bisher ist es auch nicht gelungen, auf europäischer Ebene Regeln zu beschließen und die Einhaltung zu kontrollieren.
In Frankreich bieten die Casino-Supermärkte, in Großbritannien die Firmen Tesco und Sainsbury Halal-Produkte an. In Deutschland ist die Situation deutlich schwieriger. Meist muss auf den örtlichen Einzelhandel zurückgegriffen werden, um halal-zertifizierte Produkte zu finden.
Zu den fünf Säulen des Islam gehört das Fasten während
des Monats Ramadan (9. Monat des islamischen Mondkalenders). Dann nehmen
Muslime zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang weder Nahrung noch
Flüssigkeit zu sich. Der Ramadan wird nach dem Mondkalender bestimmt,
dessen Jahr um 11 Tage kürzer ist als das Jahr im gregorianischen
Kalender. Wenn in Deutschland in den Sommermonaten die Sonne gegen 5 Uhr
auf- und nach 22 Uhr untergeht, ist das ein logistisches Problem. Aber
es gibt sicher Möglichkeiten, wie den Gästen muslimischen Glaubens
ermöglicht werden kann, vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang etwas
zu essen und zu trinken zu bekommen.
Eine besondere Aufmerksamkeit wäre Datteln anzubieten. Es gibt eine
Tradition, das Fasten mit einer Dattel zu brechen und erst nach dem
Abendgebet die Mahlzeit zu sich zu nehmen.
Ohne Weiteres können Gerichte mit frischem Obst, Gemüse (auch TK) und Fisch angeboten werden. Ebenso sind Nudeln, Reis, Grieß, Getreide wie Grünkern, Hülsenfrüchte, → Ei, frische → Milch, Joghurt ohne Gelatine und Quark möglich. Gewürze sind unproblematisch, genauso wie alle pflanzlichen Fette und Öle sowie Butter. Bei Käse ist Vorsicht geboten, denn für die Käseproduktion wird Lab verwendet, das aus dem Labmagen junger Wiederkäuer wie beispielsweise Kälbern gewonnen wird. Alternativ können mikrobielles Lab oder pflanzliche Labaustauschstoffe verwendet werden. Viele Hersteller bieten labfreie Alternativen an. Wenn es nicht deklariert ist, fragen Sie einfach bei den Herstellern nach, ob der Käse ohne Lab produziert wurde. Zum Süßen können → Zucker und → Honig verwendet werden. Als → Getränke sind Wasser, Kaffee, Tee und naturtrübe Säfte zu empfehlen. In klaren Säften wurde unter Umständen Gelatine als Klärungsmittel verwendet. Schwerer ist die Auswahl von Fertigprodukten, die immer mal wieder versteckte tierische Produkte oder Alkohol enthalten können. Achten Sie hier auf eine Halal-Zertifizierung, ebenso wie bei Fleisch und Wurstwaren.
→ Buchtipp
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (2023): Versteckter Alkohol in Lebensmitteln. Zugriff am 28.05.2024
HalalCheck ist eine APP für Smartphones, die mit
iOS oder Android laufen. Die Anwendung beinhaltet eine Datenbank mit
Lebensmitteln, Arzneimitteln, Mund- und Zahlpflegeprodukten sowie
Getränken, die für Muslime geeignet sind. Es kann nach bestimmten
Produkten gesucht, oder auch im Katalog geblättert werden. Alle Produkte
sind mit den Ampelfarben gekennzeichnet: grün sind Produkte, die
keinerlei alkoholische oder tierische Hilfs- oder Inhaltsstoffe
enthalten. Rot zeigt an, dass die Produkte Alkohol, Gelatine vom Schwein
oder Fleisch von Tieren enthält, die eindeutig haram sind. Orange
kennzeichnet Produkte, die weder eindeutig halal oder haram sind.
[1]
Gerichtshof der Europäischen Union: Fleisch,
das aus rituellen Schlachtungen ohne vorherige Betäubung stammt, darf
nicht das europäische Bio-Logo tragen. Pressemitteilung Nr. 15/19
Luxemburg, den 26. Februar 2019. Zugriff am 27.2.2019
[2] Die Bundesregierung (2023): Insekten als Lebensmittel. Zugriff am 28.08.2023
[3] Verbraucherzentrale (Hrsg.) (2022): Novel Food: Antworten auf häufige Fragen zu den neuartigen Lebensmitteln. Zugriff am 28.08.2023
[4] Deutsche Welle (DW) (Hrsg.) (2023): Insekten im Essen - Juden und Muslime skeptisch bis ablehnend. Zugriff am 28.08.2023
General Guidelines for the Use of the Term "Halal", Codex Alimentarius
Commission, 1997. Zugriff am 21.2.2017
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und
Verbraucherschutz (2016): Halal-Ernährung. Zugriff am 21.2.2017
Daniela Schröder: Lebensmittel für Muslime: Mit Allah an der
Fleischtheke, Spiegel Online 06.10.2009
Wikipedia Artikel zum Thema: Sunna,
zuletzt aufgerufen am 11.2.2013, 11:56 Uhr
Wikipedia Artikel zum Thema: Koran,
zuletzt aufgerufen am 11.2.2013, 11:57 Uhr
Bundesverband der Verbraucherzentralen und
Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
(vzbv): Halal-Siegel: Einkaufshilfe für Muslime? Zuletzt
aufgerufen am 21.2.2017
VEBU (Vegetarierbund Deutschland e. V.): Käse – tierisches Lab oder mikrobielles Lab?
Zugriff am 21.2.2017
Über
Inhaltsstoffe Bescheid wissen, FOOD TODAY 10/2006
Erstmals Halal-Produkte mit dem RAL Gütezeichen,
Pressemitteilung vom 07. Mai 2012
"Versteckte Tiere" in verarbeiteten Lebensmitteln,
Pressemitteilung Vegetarierbund Deutschland vom 01.08.2012
Bewirtung
muslimischer Gäste im Privathaushalt, halal.de, HALAL CONTROL e.K.
Prüf- und Zertifizierungsstelle für Halal-Lebensmittel, zuletzt
aufgerufen am 11.2.2013
Gutachten über den Qibla Food Control Standard,
erstellt vom Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam der
Goethe-Universität Frankfurt, zuletzt aufgerufen am 11.2.2013
Tierschutz,
Qibla Food Control, zuletzt aufgerufen am 11.2.2013
Martin Affolderbach, Inken Wöhlbrand (Herausgeber: Was jeder vom Islam
wissen muss, Gütersloh 2011
Professor Heinz Halm: Der Islam – Geschichte und Gegenwart, 2011
Kirsten Kabasci: Islam erleben, 2001