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Das Leben in Deutschland wird bunter, Menschen kommen aus aller Herren Länder, um hier zu leben, zu arbeiten oder unser Land zu besuchen. Die Kultur der Herkunftsländer unterscheidet sich teilweise grundlegend von unserer christlich geprägten Lebensweise. Obwohl Christus Jude war, kennen Christen heute so gut wie keine Speisevorschriften. Es gibt die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern, in der viele Menschen auf bestimmte Genussmittel oder auch lieb gewonnene Gewohnheiten verzichten. Über viele Jahrhunderte hinweg war der Freitag ein Fastentag, an dem kein Fleisch gegessen wurde. Die Fastenzeit vor Weihnachten allerdings ist so gut wie in Vergessenheit geraten. Aber sonst ist unser Speisezettel eher durch Traditionen geprägt als durch religiöse Gebote. Andere Glaubensgemeinschaften unterscheiden sich deutlich in ihren Speisegeboten. Aus christlicher Sicht erscheinen jüdische Speisevorschriften sehr umfassend und streng. Am konsequentesten werden sie von orthodoxen Juden eingehalten. Aber jüdisches Leben ist deutlich vielfältiger, deshalb kann in einigen Fällen ein Kompromiss möglich sein. Im Folgenden sollen einige grundsätzliche Speisevorschriften vorgestellt werden.
Abbildung 1: Die alte Synagoge in Essen |
Die hebräische Bibel (hebräisch Tanach) umfasst drei Hauptteile: die Thora, die Prophetenbücher (Newiim) und die Schriften (Chetubim). Die Thora sind die fünf Bücher des Mose (Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium), in ihnen sind die Speisegesetze aufgeführt, die im Hebräischen Kaschrut heißen. Im Kaschrut steht nicht nur, was gegessen und getrunken werden darf, sondern auch, wie das Essen zubereitet und wie es verzehrt werden sollte. Oftmals bedarf es aber einer Interpretation, wie diese Vorschriften im alltäglichen Leben umzusetzen sind. Diese Aufgabe übernimmt der Talmud, in ihm diskutieren die Weisen über die Bedeutung der Thora und wie das Geschriebene im Lebensalltag angewendet werden sollte. Das Judentum ist die älteste der monotheistischen Religionen und so verwundert es nicht, dass einige der Speisevorschriften im → Islam wiederzufinden sind. Auch im Judentum wird zwischen reinen und unreinen Speisen unterschieden. Im Hebräischen ist das Wort für unrein "tameh", mit dem jiddischen Wort "koscher" werden alle spirituell reinen und damit erlaubten Speisen bezeichnet.
"Der Herr sprach zu Mose und Aaron: Sagt den Israeliten: Das sind die Tiere, die ihr von allen Tieren auf der Erde essen dürft: Alle Tiere, die gespaltene Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkäuen, dürft ihr essen" (Buch Levitikus 11,1-3).
Gegessen werden darf:
Fleisch, z. B. von Rind, Ziege, Schaf, Hirsch, Gazelle, Antilope und
Gemse.
Nicht gegessen werden dürfen:
Welches Fleisch als koscher gilt, hängt auch von der Tradition ab. So wird die Einordnung von Wanderheuschrecken als koscher oder nichtkoscher unterschiedlich gesehen ( Jüdische Allgemeine: »Doch das dürft ihr essen ...« vom 02.11.2017).
Erlaubt sind:
Huhn, Gans, Ente, Taube und Truthahn und alle Vögel, die als Nutztiere
im Haus gehalten werden können.
Im Buch Levitikus 11,13-19 und Buch Deuteronomium 14,12-18 ist eine
Liste aller unreinen Vögel verzeichnet.
Nicht gegessen werden dürfen:
Raubvögel und Aasfresser: u. a. Aasgeier, Schwarzgeier, Bartgeier,
alle Rabenarten, Milane, die Bussardarten, Adlereule, Fischeule,
Kurzeule, Langohreule, Weißeule, Kleineule, Falken, Kauz, Bienenfresser,
Fischadler, Storch, die verschiedenen Reiherarten, Wiedehopf, Pelikane.
"Doch beherrsche dich und genieße kein Blut; denn Blut ist Lebenskraft und du sollst nicht zusammen mit dem Fleisch die Lebenskraft verzehren. Du sollst es nicht genießen, sondern wie Wasser auf die Erde schütten" (Buch Deuteronomium 12,23-24).
Für die rituelle Schlachtung wird den Tieren (Säugetiere und Geflügel) ohne Betäubung mit einem sehr scharfen Messer in einem Schnitt die Kehle durchschnitten (Schächtung). Geschlachtet werden darf nur durch einen Schochet, einen geschulten Schächter. Da das betäubungslose Schlachten nach §4 Absatz 1 Tierschutzgesetz verboten ist, muss in Deutschland für das Schächten eine Ausnahmegenehmigung vorliegen. Nach dem Schlachten blutet das Fleisch vollständig aus. Koscher ist es nur, wenn eine Prüfung ergeben hat, dass das Tier weder krank noch verletzt war. Danach kann es zerlegt und die erlaubten Fleischstücke können weiterverarbeitet werden. Damit sichergestellt ist, dass das Fleisch wirklich kein Blut mehr enthält, wird es eine halbe Stunde in Wasser eingeweicht, abgespült, trocken getupft und mit → Salz eingerieben. So bleibt es eine Stunde liegen. Vor der Zubereitung werden das Salz und das restliche Blut dreimal mit Wasser abgespült und danach kann das Fleisch gebraten, gekocht oder im Ofen gegart werden.
Laut eines Gerichtsurteils des EuGH vom 26. Februar 2019 (Urteil in der Rechtssache C-497/17) darf Fleisch, bei dem ein Tier ohne vorherige Betäubung rituell geschlachtet wurde, nicht das europäische Bio-Logo tragen. In der Pressemitteilung des Gerichts wurde als Begründung angegeben, dass die betäubungslose Schlachtung nicht die Tierschutzstandards erfüllt. Ziel ist es, durch die Betäubung das Leiden der Tiere so weit wie möglich zu verringern. Dies sah das Gericht bei einer rituellen Schlachtung durch einen präzisen Halsschnitt nicht gewährleistet [1].
Es dürfen alle Fische gegessen werden, die sowohl Schuppen wie auch
Flossen besitzen. Dazu gehören beispielsweise Thunfisch, Hecht, Karpfen,
Hering, Forelle und Lachs. Fische müssen nicht geschächtet werden.
Nicht gegessen werden dürfen:
Krusten- und Schalentiere, wie Austern, Langusten, Muscheln und Krebse.
Fische, die keine Schuppen besitzen, wie Aale, Wels, Stör, Rochen und
Schwertfisch.
Seit einigen Jahren lässt die EU schrittweise Insekten zum Verzehr zu. Es begann im Juni 2021 mit dem gelben Mehlwurm (Tenebrio molitor Larve), gefolgt von der Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) und der Hausgrille (Acheta domesticus). Zuletzt kam im Januar 2023 der Getreideschimmelkäfer Alphitobius diaperinus hinzu. Die verwendeten Insekten müssen als Zutat klar und verständlich deklariert werden [2]. Bei Produkten, die Wanderheuschrecken enthalten, muss auf eine mögliche Kreuzreaktion bei einer bestehenden Allergie gegen Krusten- oder Weichtiere sowie Hausstaubmilben hingewiesen werden [3].
Laut Orthodoxer Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) verstößt der Verzehr von Lebensmitteln, denen Insekten beigemischt sind, gegen Speisevorschriften. Die Thora verbietet strengstens das Verspeisen von Würmern und Insekten (vergleiche Buch Levitikus 11,1-47). Einzig der Verzehr von Heuschrecken ist von der Thora erlaubt und gehört wohl in jemenitischen Gemeinden zum Alltag. Allerdings weisen Rabbiner der ORD darauf hin, dass die Verwendung von Heuschrecken an den Anforderungen der Koscher-Vorschriften für Lebensmittel scheitern würde, weshalb von der Verwendung aller Insekten und Würmer abzuraten ist [4].
Nicht gegessen werden dürfen auch alle Produkte von nicht-koscheren Tieren, z. B. Kaviar vom Stör, Milch vom Kamel, Lebensmittel die Bestandteile vom Schwein enthalten wie Schweinegelatine und Schweinefett, Öl von einem nicht-koscheren Fisch. Auch Eier von nicht-koscheren Vögeln sind tabu. Bienenhonig allerdings darf gegessen werden, denn die Grundlage von Honig sind Blütennektar und Honigtau.
In unserer heutigen Zeit ist, gerade bei abgepackten Lebensmitteln, nicht immer zu erkennen, welche Zutaten verwendet wurden. Ist das Fleisch in der vorgeschriebenen Art und Weise geschlachtet und nicht mit unkoscheren Lebensmitteln in Berührung gekommen? Koscher-Zertifikate sollen dem Verbraucher Sicherheit geben, dass es sich um koschere Lebensmittel handelt. Vergeben werden sie von Rabbinern oder Kaschrut-Organisationen. In den USA sind das beispielsweise das OK Kosher Certification, KOF-K Kosher Supervision und OU (Orthodox Union) Kosher, in Europa: Badatz Igud Rabbonim KIR und die Basler Kaschrut Kommission. Auf den Internetseiten der Anbieter werden die Kriterien für die Vergabe der Zertifikate vorgestellt.
"Du sollst ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen" (Buch Deuteronomium 14,21b).
Milchspeisen und Fleisch müssen strikt voneinander getrennt zubereitet
und verzehrt werden. Auch darf nach dem Genuss von Fleischspeisen nicht
sofort ein Milchprodukt zu sich genommen werden. Die Wartezeit, die
zwischen dem Verzehr eines Fleischgerichtes und einer milchigen Speise
vergehen sollte, wird unterschiedlich lang angegeben. In einigen
Gemeinden gelten sechs Stunden als angemessen, in anderen wiederum drei
Stunden.
Nach dem Verzehr einer Milchspeise wird eine bzw. eine halbe Stunde
gewartet, bevor wieder Fleisch gegessen werden darf. Eine Ausnahme ist
der Genuss von Hartkäse, danach wird genau wie bei Fleisch eine Pause
von sechs bzw. drei Stunden eingelegt.
Alle Lebensmittel, die nicht eindeutig zu den Milch- oder
Fleischprodukten zählen, sind neutral (parwe / parve). Darunter fallen: Eier,
Fisch, Obst, Gemüse, Salat, Getreide und Sojaprodukte.
Obst, Gemüse und Salat müssen gründlich gewaschen werden, damit Würmer oder ähnliches „Getier“ entfernt werden. Denn diese kleinen Lebewesen sind nicht koscher.
Die getrennte Zubereitung der Lebensmittel hat weitreichende Folgen für die Kücheneinrichtung. Denn es reicht nicht, in einem Topf zuerst eine Milchspeise zu kochen, ihn anschließend zu spülen und danach Fleisch darin zuzubereiten. In einer koscheren Küche ist die Einrichtung doppelt vorhanden. Es fängt an mit zweifachem Ess- und Kochgeschirr sowie dem dazugehörigen Besteck, einmal für Milchprodukte und einmal für Fleischspeisen. Um eine Verwechslung auszuschließen, werden unterschiedliche Farben für das Milch- und das Fleischgeschirr gewählt. Es gibt eine Konvention, nach der Geschirr mit einem blauen Muster für Milch- und Milchspeisen vorgesehen ist, während ein rotes Muster Fleisch und Fleischprodukten vorbehalten bleibt. Hinzu kommen Töpfe und Besteck für neutrale Speisen. Für das getrennte Spülen des Geschirrs werden zwei Spülbecken sowie die zweifache Ausfertigung an Geschirr- und Spültüchern oder Schwämmen benötigt. Wenn möglich sollten getrennte Arbeitsplatten für Milch- und Fleischspeisen vorhanden sein. Schwieriger wird es, wenn nicht zwei Herde in der Küche aufgestellt werden können. Ein Ausweg ist die Beschaffung einer zusätzlichen elektrischen Kochplatte oder die zeitlich versetzte Zubereitung der Speisen. Auch im Backofen wird die Trennung beibehalten. Damit dies gelingt, sollten zwei verschiedene Roste vorhanden sein, die Gerichte möglichst in einem geschlossenen Topf gegart werden und zwischen der Zubereitung eines Fleischgerichtes und einer Speise mit Milch ein Zeitraum von 24 Stunden vergehen.
Das hängt davon ab, was dazu serviert werden soll. Ist ein Gemüseauflauf mit Käse und Ei geplant, so muss man eine Auflaufform für "Milchiges" nehmen. Soll hingegen Gemüse für ein Fleischgericht zubereitet werden, so wird es in einem Topf für "Fleischernes" gegart. Die neutrale Speise nimmt sozusagen die Eigenschaften des Kochgeschirrs an, in dem es zubereitet wurde. Die andere Möglichkeit ist, neutrale Speisen in neutralem Kochgeschirr zu garen, diese können sowohl zu einem Fleischgericht wie auch einem Gericht mit Milch- oder Milchprodukten serviert werden.
Brot wird durch die Berührung mit Händen, die zuvor etwas Milchiges oder Fleischernes berührt haben, unrein. In diesem Fall muss das gesamte Brot bei der entsprechenden Mahlzeit verzehrt werden. Damit das Brot neutral bleibt, muss es an einem Ort aufbewahrt werden, mit dem es weder mit Milch- oder mit Fleischprodukten in Berührung kommt. Geschnitten wird es mit einem neutralen Messer.
Durch das Kaschern werden die Arbeitsmittel spirituell gereinigt. Dafür werden die Arbeitsgeräte und das Koch-, teilweise auch das Essgeschirr nach einem Segensspruch in ein rituelles Bad getaucht. Erneut gekaschert werden muss das Geschirr, wenn es versehentlich mit nicht-koscheren oder anderen Speisen, als den dafür vorgesehenen in Berührung kam. Auch vor Pessach wird alles erneut gekaschert.
Nein, auch wenn alle Zutaten und die Küche koscher sind, wird eine Mahlzeit schon durch die Zubereitung von einem Nichtjuden nicht-koscher. Es gibt einige Ausnahmen: Die Speisen bleiben koscher, wenn ein Jude beim Kochen mitwirkt. Wie weit die Mitwirkung gehen muss, hängt von der Herkunft der Juden ab. Während es bei einigen reicht, den Ofen anzuschalten, müssen andere mitkochen. Lebensmittel, die roh verzehrt werden können, bleiben ebenfalls koscher.
Orthodoxe Juden werden nur in Häusern übernachten, die eine koschere
Küche anbieten. Bei der Suche nach koscheren
Hotels, Restaurants und Lebensmittel in Deutschland leisten
Internetplattformen gute Dienste.
Mit einigen Gästen wird es aber vielleicht möglich sein, in einem
Gespräch Kompromisse zu finden. Vielleicht wäre ein gangbarer Weg,
Mahlzeiten mit Gemüse und Fisch zu servieren, die allerdings von
nicht-koscheren Tellern gegessen werden müssten. Für die kalten
Mahlzeiten könnten, wenn gleichzeitig Butter und/oder Milch angeboten
wird, die Aufschnittplatten ausschließlich mit Käse belegt werden. Es sollte
bedacht werden, dass die Kombination von Milch- und Fleischprodukten bei
einigen Menschen Ekel auslösen kann, genauso wie Shrimps-Salat,
Blutwurst oder Muscheln.
Zentralrat der Juden in Deutschland. Zugriff am 28.05.2024
Deutschlandfunk Kultur (2020): Koscher-Kontrolleur: Besuch beim Maschgiach in Berlin. Zugriff am 28.05.2024
→ Buchtipp
[1] Gerichtshof der Europäischen Union: Fleisch, das aus rituellen Schlachtungen ohne vorherige Betäubung stammt, darf nicht das europäische Bio-Logo tragen. Pressemitteilung Nr. 15/19 Luxemburg, den 26. Februar 2019. Zugriff am 27.2.2019
[2] Die Bundesregierung (2023): Insekten als Lebensmittel. Zugriff am 28.08.2023
[3] Verbraucherzentrale (Hrsg.) (2022): Novel Food: Antworten auf häufige Fragen zu den neuartigen Lebensmitteln. Zugriff am 28.08.2023
[4] Deutsche Welle (DW) (Hrsg.) (2023): Insekten im Essen - Juden und Muslime skeptisch bis ablehnend. Zugriff am 28.08.2023
Koscher-Zertifikat, Jüdisches Leben Berlin. Zuletzt aufgerufen am 3.11.2017
Das
Koscher-Zertifikat, Jüdische.Info. Zuletzt aufgerufen am 3.11.2017
Koschere Tiere,
Jüdische.Info. Zuletzt aufgerufen am 3.11.2017
Verschiedene
Regeln für koscheres Essen, Jüdische.Info. zuletzt aufgerufen am
3.11.2017
Is a non-Jewish housekeeper permitted to turn on our
oven or stove? Chabad.org. Zuletzt aufgerufen am 16.6.2020
Zentralrat der Juden in Deutschland: Kaschrut - Die jüdischen Speisevorschriften. Zugriff am 16.6.2020
Jüdische Allgemeine: Parve. Zugriff am 16.6.2020
Israel M. Lau: Wie Juden leben – Glaube, Alltag, Fest, Gütersloher
Verlagshaus, Gütersloh 2008
Paul Spiegel: Was ist koscher? Jüdischer Glaube – jüdisches Leben,
Ullstein Heyne List GmbH & Co. KG, München 2003
Lea Fleischmann: Heiliges Essen – Das Judentum für Nichtjuden
verständlich gemacht, S. Fischer Verlag GmbH Frankfurt am Main 2009