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Unter den Ballaststoffen versteht man für den Menschen weitestgehend
unverdauliche Nahrungsbestandteile. Der Begriff wurde geprägt, als man
die Bedeutung der Ballaststoffe in der Ernährung noch nicht erkannt
hatte, sondern sie einzig für Ballast in der Nahrung hielt oder anders
ausgedrückt: überflüssig.
Die Bezeichnung „Nichtstärke-Polysaccharide“ (NSP) fasst alle
Polysaccharide zusammen, die in pflanzlichen Zellwänden vorkommen und im
menschlichen Organismus nicht verdaut werden können. In der Literatur werden „Nichtstärke-Polysaccharide“, „Naturfasern“ (in der Schweiz gebräuchlich) oder die englische Übersetzung „dietary fiber“ als neue Bezeichnungen für Ballaststoffe verwendet [13].
Die Mehrzahl der Ballaststoffe in unserer Nahrung stammen von Pflanzen,
sie sind aber auch in Rot- und Braunalgen sowie Hefen zu finden, während tierische
Lebensmittel nahezu ballaststofffrei sind.
Flohsamenschalen enthalten 88 g Ballaststoffe/100 g
1 g Ballaststoffe enthalten etwa 1,5-2,5 kcal = 6,28-10,47 kJ [13].
Zu den pflanzlichen Ballaststoffen zählen: Zellulose, β-Glucan, Hemizellulose, Lignin, Pektin, Inulin und Gummi arabicum. Eine Besonderheit bildet die → resistente Stärke. Die meisten dieser Stoffe (wie z. B. Lignin, Pektin, Zellulose und Hemizellulose) sind Bestandteile der Zellwände und erfüllen dort eine stützende und strukturgebende Funktion. Sie geben den Pflanzenzellen Festigkeit und Stabilität, damit die Pflanze in die Höhe wachsen kann. Bei einigen Akazienarten wird Gummi arabicum bei Verletzungen abgegeben. In Rot- und Braunalgen kommen Algenpolysaccharide vor.
Ballaststoffe unterscheiden sich in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften. Chemisch betrachtet sind Ballaststoffe in der Regel → Polysaccharide, die aus unterschiedlichen → Einfachzuckern (Monosacchariden) wie wie Glukose, Fruktose, Arabinose und Ribose zusammengesetzt sind. Ein weiterer Bestandteil sind Zuckersäuren. An dieser Stelle sollen nur einige Beispiele genannt werden: Zellulose ist ausschließlich aus → Glukose aufgebaut, während der Hauptbestandteil von Pektin Galakturonsäure ist. Lignin bildet eine Ausnahme, es setzt sich nicht aus Kohlenhydraten, sondern aus Phenylpropaneinheiten zusammen [2, 14].
Ballaststoffe nehmen in unterschiedlich hohem Maße Wasser auf. Als Füllstoffe werden die Ballaststoffe bezeichnet, die Wasser nur in sehr geringen Mengen aufnehmen können, wohingegen Quellstoffe viel Wasser binden. Füllstoffe werden auch (wasser)unlösliche und Quellstoffe (wasser)lösliche Ballaststoffe genannt. Einige Ballaststoffe dienen wegen ihrer Eigenschaften als Gelier- und Verdickungsmittel. Dazu zählen Agar-Agar (E 406), Guarkernmehl (E 412) und Pektin (E 440i) [12].
Füllstoffe (wasserunlösliche Ballaststoffe) | Quellstoffe (wasserlösliche Ballaststoffe) |
Zellulose, Lignin, Hemizellulosen [2] | Pektin, Inulin, Agar-Agar, Carrageen, Guarkernmehl, Johannisbrotkernmehl, Gummi arabicum, Schleimstoffe aus Leinsamen, Flohsamen [1, 2, 10] |
Zellulose ist der Hauptbestandteil der Gerüstsubstanz in Pflanzen. Bekannt ist Zellulose auch von den Zellulosefasern wie → Viskose. Hemizellulosen kommen in Getreide (Hafer, Gerste), Kleie und in Obst und Gemüse vor. Aus Lignin bestehen die verholzten Teile pflanzlicher Zellwände [2, 3, 10]. | Agar-Agar und Carrageen kommen in Zellwänden von Braun- und Rotalgen vor. Pektin findet sich in Äpfeln und Zitrusfrüchten. Gummi arabicum wird aus dem Milchsaft aus Akazien gewonnen [2]. |
Ballaststoffe haben eine positive Wirkung auf unsere Verdauung. Schon in Meyers Konversationslexikon von 1905 ist zu lesen, dass Roggenbrot bei chronischer Stuhlverstopfung empfohlen wird. Durch die vorhandenen Ballaststoffe werden Lebensmittel länger gekaut und als Folge stärker eingespeichelt. Quellstoffe binden zunächst viel Wasser, wodurch sich das Volumen und die Zähigkeit des Nahrungsbreis im Magen vergrößert. Als Folge verzögert sich der Austritt des Nahrungsbreis aus dem Magen und das Sättigungsgefühl bleibt länger erhalten. Während der weiteren Verdauung verringert sich das Volumen wieder. Im Dickdarm erhöhen Ballaststoffe das Volumen des Stuhls, wodurch die Muskeltätigkeit (Darmperistaltik) des Darms angeregt wird. Dadurch verringert sich die Zeit, die der Stuhl für die Darmpassage braucht [2, 13, 15].
Wirkung auf die Verdauung | Füllstoffe (unlösliche Ballaststoffe) | Quellstoffe (lösliche Ballaststoffe) |
Verzögert die Entleerung des Magens | nein | ja |
Stuhlmenge wird erhöht | ja | Ja, weniger stark |
"Bewegungsfähigkeit" des Darmes (Darmmotilität) erhöht sich | ja | Ja, weniger stark |
Weitere Wirkungen | Der Stuhl passiert schneller den Darm. | Wirken sowohl bei Verstopfung wie auch bei Durchfall ausgleichend (→ Ernährung bei Magen-Darm-Erkrankungen). |
Neben den Auswirkungen auf die Verdauung haben Ballaststoffe noch etliche andere positive Wirkungen. Insbesondere Lignin und Pektin sind in der Lage Gallensäuren zu binden, die anschließend mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Darüber hinaus trägt eine ballaststoffreiche Ernährung dazu bei, das Körpergewicht zu senken, weil die Mahlzeiten im Verhältnis zum Volumen der Nahrung weniger verwertbare Energie enthält [1]. Wasserlösliche Ballaststoffe senken die Blutzuckerkonzentration nach einer Mahlzeit und die Konzentration des Gesamtcholesterols sowie des LDL-Cholesterols [10]. LDL (Low Density Lipoprotein) gilt als das schlechte Cholesterol (oder Cholesterin), weil es sich bei hohen Konzentrationen im Blut an den Gefäßinnenwänden einlagern kann. Verengen sich durch die Ablagerungen die Blutgefäße, kann es zu Durchblutungsstörungen kommen [11]. Wasserunlösliche Ballaststoffe senken das Risiko für→ Diabetes mellitus Typ 2 oder → Herz-Kreislauf-Erkrankungen [10].
Da Quellstoffe viel Wasser binden, wird bei einer hohen Zufuhr von Ballaststoffen empfohlen, ausreichend zu trinken. Durch den mikrobiellen Abbau der Ballaststoffe kann es zur Bildung von Gasen wie Methan und CO2 kommen und so zu Blähungen und Darmwinden (Flatulenz) führen. Die Gasbildung lässt meist mit zunehmender Gewöhnung an ballaststoffreiche Nahrung nach. Ballaststoffe können sich hemmend auf die Aufnahme von Mineralien auswirken (z. B. → Eisen-, Magnesium-, Zink-, Kalzium-Kationen). Durch die von der DGE empfohlene tägliche Menge von 30 g Ballaststoffen wird jedoch die Aufnahme von Mineralien nicht beeinträchtigt [2, 13, 14].
Besonders reich an Ballaststoffen sind Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Cerealien, Nüsse und Samen. Der Ballaststoffgehalt einzelner Lebensmittel kann stark voneinander abweichen, er ist u. a. abhängig vom Alter und der Wachstumsperiode der Pflanzen sowie der Sorte. Beispielsweise wird der Gesamt-Ballaststoffgehalt von Mandeln einmal mit 14,8 g/100 g [8] und in einer anderen Quelle mit 9,8 g/100 g [7] angegeben. Eine ausführliche Tabelle, in der auch die Angaben für lösliche und unlösliche Ballaststoffe aufgeführt sind, kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.gmf-info.de/ballaststoffe.pdf.
Lebensmittel | Gesamt-Ballaststoffgehalt in g pro 100 g |
Leinsamen | 38,6 |
Chiasamen | 34,0 |
Weiße Bohnen | 23,0 |
Linsen | 17,0 |
Mandeln (süß) | 13,5 |
Haselnüsse | 8,2 |
Roggenvollkornbrot | 8,1 |
Weizenvollkornbrot | 7,5 |
Sonnenblumenkerne | 6,3 |
Walnüsse | 4,6 |
Weißkohl (roh) | 2,9 |
Äpfel | 2,0 |
Bananen | 1,8 |
Quelle: Heseker, Heseker: Die Nährwerttabelle. DGE 2023
Durch die Verwendung von Vollkornprodukten lässt sich der Anteil an Ballaststoffen erhöhen. So sind in 100 g Vollkornnudeln 4 g Ballaststoffe, statt 2 g wie in hellen Nudeln. Ersetzen Sie zwei Scheiben Toastbrot (à 25 g) durch 1 Scheibe Vollkornbrot mit Sonnenblumenkernen (à 50 g) kann der der Ballaststoffgehalt um rund 2,4 g erhöht werden. Sind Sie den Verzehr von vielen Ballaststoffen nicht gewohnt, sollten Sie die Menge langsam steigern [4, 17].
Ein Lebensmittel darf als Ballaststoffquelle bezeichnet werden, wenn es „mindestens 3 g Ballaststoffe pro 100 g oder mindestens 1,5 g Ballaststoffe pro 100 kcal enthält“. Als Lebensmittel mit einem hohen Ballaststoffgehalt gilt ein festes Lebensmittel, wenn mindestens 6 g Ballaststoffe pro 100 g oder ein flüssiges Lebensmittel, wenn mindestens 3 g Ballaststoffe pro 100 kcal enthalten sind [9].
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen, täglich 30 g bzw. 14,6 g/1000 kcal pro Tag oder mehr Ballaststoffe zu sich zu nehmen [5].
Der britische National Health Service (NHS) gibt für Erwachsene als Ziel ebenfalls die tägliche Menge von 30 g Ballaststoffen an. Kinder und Jugendliche brauchen hingegen nicht so viele Ballaststoffe. Hier gibt der NHS folgende Empfehlungen:
Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) empfiehlt für Erwachsene eine tägliche Aufnahme von 25 g Ballaststoffen [16].
Erwachsenen empfiehlt die WHO täglich 25 Gramm natürlich vorkommende Ballaststoffe zu sich zu nehmen. Für Kinder und Jugendliche schlägt die WHO folgende Verzehrmengen vor:
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit - EFSA (2019): DRV Finder. Sie können mit dem DRV Finder auf die Referenzwerte zur Nährstoffaufnahme der EFSA zugreifen. Diese Ernährungsreferenzwerte (DRVs) sind wissenschaftlich fundierte Nährstoffreferenzwerte für die gesunde Bevölkerung. Sie sind nicht als Ernährungsempfehlung für Einzelpersonen gedacht, sondern sollen Ihnen helfen beispielsweise Speisepläne zu erstellen. Sie können die Datenbank nach Bevölkerungsgruppen oder auch Nährstoffen durchsuchen. Die Ergebnisse lassen sich als PDF-Datei oder XLSX-Datei herunterladen. Zugriff 27.05.2024
Die Plattform „mikroco-wissen.de“ des Bundesinstituts für Risikobewertung ging Ende September 2023 online. Mikroco-wissen bietet kompakte Informationen zu Vitaminen, Mineralstoffen und weiteren Stoffen wie Aminosäuren, Ballaststoffen, Hormone sowie essenzielle Fettsäuren. Zugriff 27.05.2024
[1] Cornelia A. Schlieper: Grundfragen der Ernährung, 2017
[2] Hahn, A.; Ströhle, A.; Wolters, M.: Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie, 2006
[3] Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH (Hrsg.): Cellulose. Zugriff am 02.02.2021
[4] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V (2022): Ballaststoffe in der Ernährung senken das Sterberisiko Zugriff am 24.05.2023
[5] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V: Ballaststoffe. Zugriff am 24.05.2023
[6] NHS (Hrsg.): How to get more fibre into your diet. Letzte Überprüfung: 13.07.2023. Zugriff am 21.09.2023
[7] Dr. Hans-Georg Becker: Ballaststoffe in unseren Lebensmitteln,
Vereinigung Getreide-, Markt- und
Ernährungsforschung GmbH (GMF) 2002. Zugriff am 02.02.2021
[8] Karl Huth, Marion Burkard: Ballaststoffe, 2004
[9] Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Zugriff am 02.02.2021
[10] Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 268. Auflage, 2020
[11] Wort & Bild Verlag Konradshöhe GmbH & Co. KG (Hrsg.) (2020): LDL-Cholesterin: Risikofaktor für Gefäße. Zugriff am 03.02.2021
[12] Zusatzstoffe-online.de: Detaillierte Beschreibung der einzelnen Zuckeraustauschstoffe
[13] Prof. Dr. Ibrahim Elmadfa: Ernährungslehre, 4. Auflage, 2019
[14] Hans Konrad Biesalski, Peter Grimm, Susanne Nowitzki-Grimm: Taschenatlas
Ernährung, 2017
[15] Lexikon: Brot. Meyers Großes Konversations-Lexikon (1905), CD-ROM Version S. 26447 (vgl. Meyer Bd. 3, S. 462)
[16] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) (2010): EFSA legt europäische Referenzwerte für die Aufnahme von Nährstoffen fest. Zugriff am 03.04.2024
[17] Prof. Dr. Helmut Heseker; Beate Heseker: Die Nährwerttabelle. Deutsche
Gesellschaft für Ernährung e. V., 2023
[18] World Health Organization (WHO) (2023): WHO updates guidelines on fats and carbohydrates. Zugriff am 21.09.2023
Tanja Oßwald: Nicht-Stärke-Polysaccharid hydrolysierende Enzyme und
deren Wirkung auf den Nährstoffumsatz und mikrobielle
Stoffwechselprodukte im Verdauungstrakt des Ferkels,
Literaturübersicht, Berlin 2007
DocCheck: Darmmotilität, Das
Medizinlexikon zum Mitmachen. Zugriff am 02.02.2021