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Autor: Georg Paaßen
Wenn die Nieren nicht mehr ausreichend oder
gar nicht mehr funktionieren wird in der Medizin von Nierenisuffizienz
gesprochen.
Was ein Mensch isst und trinkt, muss im Körper verarbeitet werden.
Dabei entstehen Abfallprodukte, die mit Urin oder Stuhlgang den Körper
wieder verlassen. Manches kann nur über die Nieren, mit dem Urin,
ausgeschieden werden. Wenn dass nicht mehr ausreichend funktioniert,
kann es lebensbedrohlich werden.
Wird eine strenge Diät eingehalten, trägt das wesentlich dazu bei,
akute Notfälle und Folgeschäden einer chronischen Nierenerkrankung zu
vermeiden.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel gibt allgemeine Erklärungen zur Ernährung bei Nierenerkrankungen. Er ist nicht geeignet eigenständig eine Diät zusammenzustellen. Die Diät muss von einem Arzt verordnet werden und in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Dialysezentrum ggf. einem / einer Diätassistenten / Diätassistentin erfolgen. |
Die täglich ausgeschiedene Urinmenge sinkt auf
100 ml bis 500 ml (Oligurie) oder sogar unter
100 ml (Anurie). Die ständig im Körper gebildeten
Stoffwechselprodukte wie Kreatinin, Harnstoff oder Harnsäure können über
die Nieren nicht mehr in der Menge wie nötig ausgeschieden werden. Sie
reichern sich im Blut an und können Krankheiten auslösen.
Viele Menschen mit Niereninsuffizienz waren zuvor schon Bluthochdruck
und / oder → Diabetes
erkrankt.
Auch Kinder können an Niereninsuffizienz erkranken. Hier ist ein Faltblatt, dass einige der Alltagsprobleme zeigt: Bundesverband Niere e. V.: Für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer nierenkranker Kinder und Jugendlicher (PDF).
Mit akuter Niereninsuffizienz ist ein Prozess gemeint, in dem die Nieren über Stunden oder wenige Tage ihre Funktion mehr oder weniger einstellen. Das kann kurzfristig eine → Dialyse (s. u.) nötig machen. Oft tritt akute Niereninsuffizienz nach Operationen, Unfällen oder Verbrennungen auf. Bei vielen der Betroffenen gelingt es, die Nierenfunktion wieder herzustellen.
Es gibt auch Erkrankungen, die nicht geheilt werden können und die an den lebenswichtigen Nieren immer mehr Schaden anrichten. Das kann zu einer chronischen Niereninsuffizienz führen. Als erstes ist hier → Diabetes zu nennen. Aber auch Bluthochdruck, Infektionen der Harnwege, Medikamentennebenwirkungen oder Tumorerkrankungen können zu einer chronischen Niereninsuffizienz führen.
Im Labor wird das Blut der Erkrankten untersucht und die schwere der Niereninsuffizient in vier Stadien unterteilt. Viele Ernährungsempfehlungen beziehen sich auf diese Einteilung.
Die Diätvorschriften für Nierenkranke zielen darauf
ab, Lebensmittel zu vermeiden, deren Verarbeitung im Körper Substanzen
entstehen lässt, die vollständig oder überwiegend mit dem Harn
ausgeschieden werden. Dazu gehören: Kalium, Natrium, Kreatinin,
Harnsäure, Harnstoff, → Phosphat.
Viele ganz alltägliche Lebensmittel, zum Beispiel Eier, → Milch oder Brot,
beeinflussen die Blutwerte negativ und dürfen nur noch nach einem
Diätplan, also aufs Gramm genau abgewogen, konsumiert werden. Um die
Nieren zu schonen, muss in Kauf genommen werden, dass wichtige
Nährstoffe nicht mehr ausreichend zugeführt werden können. Die Folge:
20 % bis 50 % aller Menschen mit Niereninsuffizienz, die noch
keine Dialyse brauchen, gelten als mangelernährt. Bei Dialysepflichtigen
sind es etwa 70 %. Mit der Ernährung soll auch der Bildung von
Ödemen ( Wikipedia-Eintrag Ödem) vorgebeugt
werden.
Vielen Betroffenen hilft eine umfassende Ernährungsberatung.
Als erstes Thema wird bei einer Ernährungsumstellung
die Eiweißzufuhr in den Blick genommen. Für gesunden Menschen wird
empfohlen, täglich etwa 0,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht zu
verzehren. Dieser Wert wird von vielen Menschen, die in Industrieländern
leben, regelmäßig überschritten. Bei einer beginnenden
Niereninsuffizienz wird ärztlich angeordnet die Eiweißzufuhr auf 0,4 bis
maximal 0,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht zu reduzieren. Das ist
für die Zusammenstellung eines Speiseplans schon eine Herausforderung.
Denn es geht nicht um Durchschnittswerte pro Woche oder pro Monat, wo
mal an einem Tag eine Ausnahme gemacht und die doppelte Menge verzehrt
werden kann – die Höchstmenge gilt es Tag für Tag nicht zu
überschreiten. Dazu muss auch die → biologische Wertigkeit des verzehrten Eiweiß beim
Speiseplan beachtet werden. Schreitet die Niereninsuffizienz fort, wird
ärztlich angeordnet die täglich verzehrte Eiweißmenge auf 0,4 bis max
0,6 g pro kg Körpergewicht zu reduzieren (→ Proteingehalt
einiger Lebensmittel).
Wer auf → Dialyse
angewiesen ist, muss zur Eiweißzufuhr völlig andere Regeln beachten
(siehe unten).
Natrium wird vor allem in Form von → Kochsalz (NaCl) dem Körper zugeführt.
„Weniger Salz!“ ist eine der erstem Maßnahmen, die ärztlich empfohlen
werden, wenn es Nierenprobleme gibt. Täglich sollen nicht mehr als 4 bis
6 g Salz aufgenommen werden. Das ist schwierig, weil sehr viele
verarbeitete Lebensmittel Salz enthalten (→ Salzkonsum). → Kartoffeln, Nudeln oder Reis fast ohne Salz zu
kochen ... das ist gewöhnungsbedürftig. Die Umstellung der Ernährung
sollte zwar konsequent aber in kleinen Schritten erfolgen.
Salzige Speisen erhöhen das Durstgefühl. Muss die Flüssigkeitszufuhr
stark eingeschränkt werden, kann die Reduzierung der Salzzufuhr den
Nierenkranken helfen, nicht zu viel zu trinken.
Auch zu viel Kalium im Blut belastet die geschädigten Nieren. Hier reicht es oft, kaliumreiche Lebensmittel zu meiden. Sind die Laborwerte dann immer noch zu hoch, kann der Kaliumgehalt von → Kartoffeln oder → Gemüse durch wässern gesenkt werden. Dazu wird das Gemüse geputzt, klein geschnitten und über nach mit viel Wasser stehen gelassen. Das Wasser wird genauso weggeschüttet, wie das Kochwasser. Durch Wässern lässt sich der Kaliumgehalt von Kartoffeln um etwa die Hälfte mindern.
Lebensmittel | Kaliumgehalt in mg pro 100 g |
Rosenkohl | 470 |
Kartoffel (roh) | 415 |
Fenchelknolle | 395 |
Kartoffel gekocht (+ Salz) | 380 |
Brokkoli | 260 |
Tomate | 235 |
Chicorée | 200 |
Eisbergsalat | 175 |
Grüne Paprikaschote | 175 |
Zucchini | 175 |
Gurke | 165 |
Lebensmittel | Kaliumgehalt in mg pro 100 g |
Datteln, getrocknet | 650 |
Banane | 370 |
Kiwi | 320 |
Clementine | 180 |
Mango | 170 |
Orange | 165 |
Pflaume | 160 |
Mandarine | 150 |
Wassermelone | 140 |
Grapefruit | 140 |
Apfel | 120 |
Birne | 115 |
Sauerkirsche | 115 |
Heidelbeere / Blaubeere | 80 |
Quelle: Heseker, Heseker: Die Nährwerttabelle. DGE 2023
Viel Phosphat wird vor allem mit Käsereisalzen
aufgenommen, die besonders für Schmelz- und Kochkäse verwendet werden.
Die → Zusatzstoffe
mit den Bezeichnungen E 339 bis E 343 und E 450 bis
E 452 liefern besonders viel Phosphat. Viele phosphatreiche
Lebensmittel sind schon auf den Negativlisten von Eiweiß, Natrium und
Kalium zu finden.
Um den Phosphatspiegel zu senken, gibt es Medikamente (Phosphatbinder),
die in der Regel während der Mahlzeit einzunehmen sind.
Wie viel Flüssigkeit zugeführt wird, ist mit dem Arzt abzustimmen. Bei Niereninsuffizienz sind die ärztlichen Empfehlungen meist noch leicht einzuhalten.
Wenn die Nieren ihre Arbeit (beinahe) vollständig
einstellen, können medizinische Geräte ihre Aufgaben teilweise
übernehmen. Das wird Dialyse genannt.
Akutes Nierenversagen führt zum Tod, wenn keine medizinische Hilfe
kommt. Das ist die Alternative zu den massiven Einschränkungen des
Alltags und der Lebensqualität, die eine Dialyse mit sich bringt. Hinzu
kommen strenge Diätvorschriften. Tage an denen man Tatkraft und Fitness
spürt, werden selten.
Alle Menschen, die auf Dialyse angewiesen sind, werden engmaschig
ärztlich überwacht. Zum Beispiel Wechselwirkungen mit Medikamenten oder
Veränderungen aktueller Blutwerte können auch Anpassungen bei der
Ernährung erforderlich machen.
Grundsätzlich werden zwei Verfahren unterschieden: die Hämodialyse
und die Peritonealdialyse.
Für die Hämodialyse an der „künstlichen Niere“ wird
den Menschen mit Niereninsuffizienz über Schläuche (Katheter), die in
die Blutgefäße reichen, Blut entzogen, in der Hämodialyse-Maschine
gereinigt und wieder in der Körper zurückgeführt. Eine
Hämodialysebehandlung dauert in der Regel 4–5 Stunden und kann nur
in einer Arztpraxis oder im Krankenhaus durchgeführt werden. An manchen
Orten wird auch Nachtdialyse angeboten. Die Hämodialyse muss mindestens
dreimal pro Woche durchgeführt werden. In manchen Fällen ist es aber
nötig streng alle zwei Tage oder sogar täglich eine
Hämodialysebehandlung durchzuführen.
Viele Patient/innen empfinden den Zeitaufwand für die Fahrten zur
Hämodialysebehandlung und die strengen Beschränkungen der Trinkmenge als
die größte Belastung der Hämodialyse.
Bei der Peritoneal– oder Bauchfelldialyse wird den
Menschen mit Niereninsuffizienz über einen Schlauch (Katheter), der in
die Bauchhöhle reicht, eine Spülflüssigkeit in den Bauchraum gefüllt und
dort oft über 5–6 Stunden belassen. Giftstoffe, die nicht mehr über die
erkrankten Nieren ausgeschieden werden können, „wandern“ durch das
Peritoneum (Bauchfell) in die Spülflüssigkeit (→ Osmose). Nach der ärztlich vorbestimmten Zeit, wird
die Spülflüssigkeit abgelassen, wodurch auch die Giftstoffe dem Körper
entzogen werden. Dieser Vorgang muss bei manchen Patienten bis zu
viermal täglich wiederholt werden. Als unerwünschter Nebeneffekt wird
dem Körper auch Eiweiß entzogen. Das muss beim Ernährungsplan beachtet
werden. Nach einer Schulung kann die Peritonealdialye zu Hause
durchgeführt werden.
Aus medizinischen Gründen und weil viele Menschen sich nicht in der Lage
sehen, eine Bauchfelldialyse selbst durchzuführen, ist dieses Verfahren
für die Mehrheit der Dialysepflichtigen nicht geeignet.
Patient/innen, die beide Dialyseverfahren vergleichen können, freuen
sich über insgesamt seltenere Komplikationen mit den Kathetern,
geringere Kreislaufbelastung und die größere Unabhängigkeit vom
Dialysezentrum. Es gibt auch Patient/innen, die ihre Peritonealdialyse
an einem Urlaubsort oder am Arbeitsplatz durchführen.
An dieser Stelle finden Sie allgemeine Hinweise. Jede Patientin / jeder Patient ist anders und es werden individuelle Diätvorschriften durch das Dialysezentrum entwickelt. Die sind immer zu beachten.
Bei der Dialyse wird dem Körper übermäßig Eiweiß entzogen. Der Speiseplan muss also auf eiweißreich umgestellt werden. Richtwerte: bei Hämodialyse 1g–1,2 g Eiweiß/kg Körpergewicht, bei Peritonealdialyse 1,2 g-1,5 g Eiweiß/kg Körpergewicht.
Im Allgemeinen gelten für Natrium, Kalium und → Phosphate die gleichen Empfehlungen wie bei Patienten ohne Dialysepflicht. Ausnahmen müssen immer durch die Dialysepraxis bestimmt werden. Ein Beispiel: bei der Peritonealdialyse kann oft auf Einschränkungen beim Kalium verzichtet werden.
Wer dialysepflichtig ist, muss die Trinkmenge sehr einschränken. Bei Hämodialyse ist häufig von Urinmenge + 500 ml pro Tag, bei der Peritonealdialyse von Urinmenge + 800 ml pro Tag zu lesen. Die erlaubte Menge wird oft durch die Ärzte entsprechend den aktuellen Laborwerten angepasst.
Einige Tipps:
Möglichst kleine Trinkgefäße verwenden. Eiswürfel lutschen oder an
Zitronenscheiben saugen. Kannen / Flaschen zum Nachfüllen gleich wieder
weg räumen, damit sie außer Sicht sind. Den Mund nur ausspülen, statt
etwas zu trinken. Auf stark gesalzenes und stark gesüßtes verzichten.
Grundsätzlich gelten für Nierenkranke die gleichen Empfehlungen zur Energiezufuhr, wie bei gesunden Menschen. Es ist aber zu berücksichtigen, das bei der Peritonealdialyse durch die Spülflüssigkeit 600-800 kcal täglich zugeführt werden.
Die vielen Einschränkungen bei der Ernährung sind eine
große Herausforderung. Hauswirtschaftskräfte können mit Ihrem Wissen um
Ernährung, mit Ihrer Erfahrung beim Erstellen von Speiseplänen, sehr
viel dazu beitragen, dass Diätvorschriften und Alltagswünsche
zusammengebracht werden.
Nein, Hauswirtschaftskräfte sind nicht für die Versorgung mit
Medikamenten zuständig- das ist Aufgabe von Medizin und Pflege. Für
alle, die mit Nierenkranken zu tun haben ist aber wichtig zu wissen: Es
ist nicht nur wichtig, die Vorschriften zur Ernährung einzuhalten,
sondern auch, dass die Medikamente genauso eingenommen werden, wie der
Arzt das verordnet hat. „Vorzeitiges Abbrechen oder eigenmächtiges
Abändern einer verordneten Therapie ist Ursache vieler Komplikationen“,
die Nierenkranke erleiden müssen.
Quelle: Bundesverband Niere e. V.:
Therapietreue bei chronischer Nierenerkrankung.
Aus einem Interview
mit einem Dialysepatienten: Wenn im Arztgespräch klar gemacht wird: sie müssen an die Dialyse, fallen alle Pläne für die Zukunft auf einmal flach. „Das ist so, als ob das Leben plötzlich Pause macht.“ Nicht nur die Zeit in der Dialysepraxis fehlt am normalen Leben, auch die Fahrerei dauert und die Dialyse schlaucht. Oft braucht er noch stundenlang um sich zu erholen. Die Erschöpfung schlägt auch manchmal auf's Gemüt. Jetzt fährt er dreimal wöchentlich zur Nachtdialyse, wo er die Dialyse verschlafen kann. So kann er regelmäßig im Restaurant seiner Eltern helfen. Aber das ist ihm zu wenig für ein ganzes Leben. Ob er doch noch studiert? Grade dann denkt er: „Ich wünschte, ich könnte einmal Urlaub von der Dialyse machen.“ Nach einem Artikel im Schwäbischen Tagblatt (2010): Alltag mit Dialyse: Ein junger Mann berichtet. |
Schwäbischen Tagblatt (2010): Alltag mit Dialyse: Ein junger Mann berichtet.
Zugriff 8.7.2020
Bundesverband Niere e. V.: Therapietreue bei chronischer Nierenerkrankung.
Zugriff 8.7.2020
Prof. Dr. Helmut Heseker; Beate Heseker: Die Nährwerttabelle. Deutsche
Gesellschaft für Ernährung e. V., 2023
Menebröcker, Claudia; SmolinerChristine (Hrsg.): Ernährung in der
Altenpflege. Elsevier GmbH München, Urban & Fischer Verlag München
2013
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und aid Infodienst Ernährung,
Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. (Hrsg.): Senioren in der
Gemeinschaftsverpflegung. Bonn 2013