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Hierzu gehören eine Reihe von chemischen Verbindungen, die eine ähnliche Struktur, aber sehr unterschiedliche Wirksamkeit besitzen. Die vollständige Vitamin-A-Aktivität weisen Retinol (Vitamin A1), Retinal und Retinylester auf. Retinsäure und deren synthetische Derivate dagegen besitzen nicht alle Wirkungen des Vitamins A [4].
Dem Vitamin A als Überbegriff einer Reihe von chemischen Verbindungen, kann keine einheitliche Wirkungsweise zugesprochen werden.
Retinal beispielsweise ist unverzichtbar für die Sehkraft. Die Retinsäure spielt eine wichtige Rolle für das Wachstum und die Bildung verschiedener Gewebe wie z. B. Atemwegsepithel, Darmschleimhaut und Haut sowie Knochen. Retinol ist Transportform und bildet ein Zwischenprodukt im Stoffwechsel. Retinylester sind Speicherformen; Hauptspeicherort ist die Leber [4, 5].
Vitamin A kommt in pflanzlichen Lebensmitteln in Form von Vorstufen (Carotinoiden) vor oder gelangt über tierische Lebensmittel meist als Retinol oder Retinylester in den Körper [4]. Wichtigster Vertreter der Carotinoide ist das β-Carotin [7].
Damit das β-Carotin z. B. aus zubereiteten zerkleinerten Möhren ausgenutzt werden kann, wird Fett benötigt. Die Carotinoide werden im Darm aufgenommen und in der Darmschleimhaut und in der Leber zu Vitamin-A umgewandelt und in der Leber gespeichert. Die Retinylester aus tierischen Lebensmitteln werden im Verdauungstrakt (Intestinum) durch eine Pankreaslipase gespalten und das entstehende Retinol durch die Darmepithelzellen aufgenommen. In den Zellen wird das Retinol verestert, in Chylomikronen eingebaut und über die Lymphbahn ins Blut transportiert. Nach dem Umbau der Chylomikronen zu Remnants (engl. remnant = Rest, Überbleibsel) gelangen diese in die Leber. In der Leber wird zunächst Retinylester zu Retinol umgebaut (hydrolysiert), gelangt in bestimmte Leberzellen, wo wiederum das Retinol zu Retinylester verestert und anschließend gespeichert wird. In der Leber befindet sich der wichtigste Vitamin-A-Pool des Körpers. Wird Vitamin A benötigt, erfolgt die Hydrolyse des Retinylesters in Retinol, welches an ein Protein gebunden zu den Wirkungsstätten transportiert wird [5, 6, 7].
Abbildung 1: Schema Aufnahme Retinol (nach BIESALSKI 2017)
Carotinoide kommen
in gelb, orange bis rot gefärbtem Obst und Gemüse wie Aprikose, Mango,
rote Bete, rote und gelbe Paprikaschoten, Möhren, Kirschen oder auch
Tomaten vor, aber auch in dunkelgrünen Gemüsesorten, wie Spinat,
Brokkoli und Feldsalat.
Bei den tierischen Produkten sind → Milch und Milchprodukte wie Butter und Sahne, → Eier, Fisch, Lebertran
und Leber gute Vitamin-A-Lieferanten.
Lebensmittel | Vitamin-A-Gehalt µg Retinol pro 100 g |
Schweineleber | 36.000 |
Rinderleber | 18.000 |
Rotwurst (Thüringer Art) (2) | 1.400 |
Aal (2) | 980 |
Butter | 590 |
Thunfisch (2) | 450 |
Appenzeller, 50 % Fett i. Tr. (2) | 350 |
Hühnerei (Gesamtei-Inhalt) | 247 |
Karpfen | 44 |
Hering (Atlantik) | 38 |
Kuhmilch 3,5 % Fett | 28 |
Quellen: Souci / Fachmann / Kraut: Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwert-Tabellen. 2024
(2) Heseker, Heseker: Die Nährwerttabelle. DGE 2023
Lebensmittel | Gehalt µg β-Carotin pro 100 g |
Löwenzahnblätter | 7.900 |
Möhre | 7.600 |
Grünkohl | 5.200 |
Brunnenkresse | 4.900 |
Spinat | 4.800 |
Feldsalat | 3.900 |
Endivie | 1.700 |
Aprikose | 1.600 |
Brokkoli | 850 |
Rotkohl | 15 |
Blumenkohl | 10 |
Quelle: Souci/ Fachmann/Kraut: Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwert-Tabellen. 2016
Kinder
vom 1. – 3. Lebensjahr: 300 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
vom 4. – 6 Lebensjahr: 350 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
vom 7. – 9. Lebensjahr: 450 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
vom 10. – 12. Lebensjahr: 600 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
Mädchen
vom 13. – 14. Lebensjahr: 700 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
vom 15. – 18. Lebensjahr: 800 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
Frauen
19 – 65 Jahre und älter: 700 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
Schwangere Frau: 800 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
Stillende Frau: 1300 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
Jungen
vom 13. – 14. Lebensjahr: 800 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
vom 15. – 18. Lebensjahr: 950 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
Männer
19 – 64 Jahre: 850 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
65 Jahre und älter: 800 μg Retinolaktivitätsäquivalente/Tag
Mitte November 2020 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) überarbeitete Referenzwerte für Vitamin A. Seitdem werden die D-A-CH-Referenzwerte in Retinolaktivitätsäquivalenten (RAE) und nicht mehr wie vorher üblich in Retinol-Äquivalenten (RE) angegeben. In den RAE wird die Verwertung von Provitamin-A-Carotinoiden anders bewertet [2].
Retinolaktivitätsäquivalent (retinol activity equivalent, RAE): 1 μg RAE = 1 μg Retinol = 12 μg β-Carotin = 24 μg andere Provitamin-A-Carotinoide [1].
Retinol-Äquivalent (retinol equivalents, RE): 1 μg RE = 1 μg Retinol = 6 μg β-Carotin = 12 μg andere Provitamin-A-Carotinoide [1].
Laut dem britischen National Health Service (NHS) benötigen Männer täglich 700 µg und Frauen 600 µg Retinol-Äquivalente (RE) Vitamin A. Diese Empfehlungen gelten für Menschen zwischen 19 to 64 Jahren. Der Bedarf sollte durch eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung zu decken sein [3].
Durch längeres Kochen, Licht und Sauerstoffeinfluss vermindert sich der Gehalt an Vitamin A und Carotinoiden in Lebensmitteln. Durchschnittlich beträgt der Verlust durch die Zubereitung zwischen 20-40 %. Gesteigert wird die Bioverfügbarkeit durch Nahrungsfette und Gallensalze. Bei pflanzlichen Lebensmitteln erhöht sich durch thermische und mechanische Verfahren die Freisetzung von Carotinoiden aus den Zellen [10].
Zu den Mangelerscheinungen gehören: Wachstumsstörungen, Austrocknung einiger Bereiche im Auge (Xerophthalmie), Verhornung der Talgdrüsen und Störung der Knochenbildung.
Die erhöhte Vitamin-A-Zufuhr kann zu Erbrechen, Kopfschmerz und Übelkeit führen. Folgen einer chronischen Hypervitaminose können u. a. trockene, raue Haut und Schleimhäute, später Schwellungen der Knochenhaut (Periosts), Haarausfall und Reizbarkeit sein. Gerade bei älteren Menschen wächst die Gefahr von Knochenbrüchen. Dieser Umstand ist besonders für Frauen nach der Menopause mit erhöhtem Osteoporose-Risiko wichtig. Bei Rauchern kann eine erhöhte Aufnahme von β-Carotin das Lungenkrebsrisiko erhöhen.
β-Carotin wird nicht nur zum Färben von Lebensmitteln eingesetzt,
sondern auch als Vitamin-A-Quelle in Nahrungsergänzungsmitteln
verwendet. Das ist laut der Bestimmungen der
Europäischen
Richtlinie 2002/46/EG zulässig, eine Höchstmenge wurde auf
EU-Ebene nicht festgelegt. Zu hohe Mengen an β-Carotin können die
Gesundheit gefährden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
empfiehlt, eine Höchstmenge von 2 mg β-Carotin pro
Tagesverzehrdosis eines Nahrungsergänzungsmittels nicht zu
überschreiten [8].
In einer am 31.1.2014 veröffentlichten Stellungnahme des BfR wird ein
Zusammenhang zwischen einer hohen Vitamin-A-Aufnahme und einer geringen
Knochendichte diskutiert. Aus diesem Grund empfiehlt das Scientific
Committee on Food (SCF) Menschen mit einem erhöhten Osteoporose- und
Frakturrisiko maximal 1,5 mg Retinol-Äquivalente (RE) pro Tag
aufzunehmen [9].
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für Vitamine und Mineralstoffe Höchstmengen, die sogenannten „Tolerable Upper Intake Level“ festgelegt. Für Vitamin A (Retinol und Retinylester) ist die Höchstmenge für einen Erwachsenen 3000 μg RE pro Tag [11].
[1] Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr,
D-A-CH-Referenzwerte der DGE, ÖGE, SGE/SVE: Vitamin A. Zugriff am 29.02.2024
[2] unn | UNITED NEWS NETWORK GmbH (Hrsg.) (2020): Pflanzliches Provitamin A trägt zur Versorgung bei. Zugriff am 20.11.2020
[3] NHS Choices (Hrsg.): Vitamin A. Letzte
Überprüfung am 3. August 2020. Zugriff am 29.02.2024
[4] Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 267. Auflage, 2017
[5] Hans Konrad Biesalski, Peter Grimm, Susanne Nowitzki-Grimm: Taschenatlas
Ernährung. 2017
[6] Diät- und Ernährungsberatung: Wissenschaftliche Informationen über Vitamin A und
Carotin.
[7] Cornelia A Schlieper: Grundfragen der Ernährung. Hamburg 2017
[8] Bundesinstitut für Risikobewertung: Beta-Carotin in Nahrungsergänzungsmitteln.
Stellungnahme Nr. 019/2005 des BfR vom 08. März 2005, ergänzt am 21. Januar 2013
[9] Bundesinstitut für Risikobewertung: Vitamin A: Aufnahme über kosmetische Mittel sollte
begrenzt werden. Aktualisierte Stellungnahme Nr. 005/2014 des BfR
vom 31. Januar 2014
[10] A. Hahn, A. Ströhle, M. Wolters.: Ernährung – Physiologische
Grundlagen, Prävention, Therapie. 2006
[11] European Food Safety Authority (EFSA) (2018): Summary of Tolerable Upper Intake Levels. Zugriff am 29.02.2024
Souci, S.W. / Fachmann, W. / Kraut, H.: Food Composition and Nutrition Tables - Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwert-Tabellen - La composition des aliments Tableaux des valeurs nutritives. 2024
Prof. Dr. Helmut Heseker; Beate Heseker: Die Nährwerttabelle. Deutsche
Gesellschaft für Ernährung e. V., 2023
Europäische Obergrenzen für Vitamine und Mineralstoffe.
Zugriff am 20.11.2020
Mörike, Betz, Mergenthaler: Biologie des Menschen, 1991
Karl-Hein Bässler, Ines Golly, Dieter Loew, Klaus Pietrzik:
Vitamin-Lexikon 2002
Gaby Hauber-Schwenk, Michael Schwenk: dtv-Atlas Ernährung, 2000