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Eine der kostbarsten Fasern ist die Muschelseide, die von der Edlen Steckmuschel (Pinna nobilis L.) gewonnen wird. Sie ist die größte im Mittelmeer lebende Muschel und kann bis zu 120 cm groß werden. Im Boden verankert sie sich über lange Haftfäden, dem Faserbart oder Byssus. Diese Fasern können bis zu 20 cm lang werden, sind sehr reißfest und haben eine glatte Oberfläche. Der Durchmesser ist vergleichbar mit anderen tierischen oder pflanzlichen Fasern. In gereinigtem Zustand reicht ihr Farbspektrum von gold-bronzen bis olivenfarbig und glänzt seidig. Ist das Rohmaterial gesäubert und gekämmt, kann die Muschelseide nach dem Spinnen gewebt, gestrickt oder zum Sticken verwendet werden. Verarbeitet lässt sie sich mit bloßem Auge kaum von der → Maulbeerseide unterscheiden. Im 19. Jahrhundert wurde die Fertigung einer Art Pelz aus der gesäuberten und gekämmten Muschelseide erfunden, aus dem z. B. Muffs, Mützen oder Kragen hergestellt wurden.
Die Verarbeitung von Muschelseide hat eine lange Tradition und soll seit dem achten Jahrhundert vor Christus auf Sardinien existieren. Viele alte Kulturen verwendeten Byssus, um daraus Tuch zu weben. In Ägypten war es ausschließlich Mitgliedern des Königshauses erlaubt, Kleidung aus diesem erlesenen Stoff zu tragen. Das "goldene Vlies" des griechischen Helden Jason soll aus den Fäden der Edlen Steckmuschel gewebt worden sein und der Römer Tertullian erwähnte um 200 nach Christus die Muschelseide in seinen Schriften. Bis ins Mittelalter hinein wurden in einigen Orten in Italien, Griechenland und der Türkei aus dem "goldenen Tuch" (engl. cloth of gold) Textilien wie Strümpfe und Handschuhe gefertigt. Einige Objekte, das älteste aus dem 14. Jahrhundert [1], existieren noch heute. Textilien aus Muschelseide waren selten und kostbar, häufig handelte es sich um Geschenke für Staatsoberhäupter, Könige, Zarinnen oder Päpste.
Seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts ist der Bestand der Edlen
Steckmuschel dramatisch zurückgegangen. In der Europäischen Union (EU)
und in Kroatien steht die Edle Steckmuschel (Pinna nobilis)
seit 1992 unter Naturschutz.
Chiara Vigo gilt als die letzte Muschelseidenweberin der Welt und lebt
auf der Insel Sant’Antioco (Sardinien). Einmal jährlich schneidet sie im
Mai die Muschelfäden ab, ohne die Muscheln zu töten. Aus den 300 g
Rohmaterial, die sie im Jahr 2013 gewann, verbleiben nach dem Säubern
und Kämmen 30 g Muschelseide. Aus diesem Material wird ein etwa
45x50 cm großer Wandteppich für das Kunstmuseum in Oxford
entstehen.
Wer mehr über Muschelseide erfahren möchte, dem seien die Internetseiten
des Projekts Muschelseide des Naturhistorischen Museums Basel empfohlen:
https://muschelseide.ch/
[1] "Mittelalter" >
Überschrift: Ältestes Objekt aus Muschelseide
http://www.muschelseide.ch
MUSCHELSEIDE – Goldene Fäden vom Meeresgrund. Eine
Ausstellung des Naturhistorischen Museums Basel und des Museums der
Kulturen Basel, 2004
Muschelseide.
Kleine Enzyklopädie des deutschen Mittelalters, zuletzt aufgerufen am
18.7.2013, 17:00 Uhr
History
of sea byssus cloth. designboom August 2002
Constanze Bandowski: Goldener Stoff vom Meeresgrund. Auf Sardinien lebt
die letzte Muschelseidenweberin der Welt. frau und mutter, Nr. 07.08|13,
S. 14 f.