Sie befinden sich hier: Startseite > Hygiene > Lebensmittelhygiene > Hygieneampel
Während in → Deutschland bisher keine Einigung über ein
bundeseinheitliches Hygiene-Transparenzsystem (Hygieneampel) erzielt
werden konnte, veröffentlicht neben Dänemark, Norwegen und Frankreich auch das
Vereinigte Königreich die amtlichen Kontrollergebnisse für den
Lebensmittelbereich. Im November 2010 wurde für England, Wales und
Nordirland ein Programm zur Bewertung der Hygiene (Food Hygiene Rating
Scheme) eingeführt.
Entwickelt wurde das Programm von der Food Standards Agency (FSA) in
Zusammenarbeit mit den Kommunen. Bewertet werden sowohl
Restaurationsbetriebe, Cafés, Schulen, Krankenhäuser und andere
Einrichtungen, die Speisen anbieten, als auch der Lebensmittelhandel,
wie beispielsweise Supermärkte und Bäckereien. Zwei Gruppen von
Unternehmen sind von der Bewertung befreit: Das sind einerseits jene,
von denen nur ein geringes Gesundheitsrisiko ausgeht, wie
Zeitschriftenhändler, oder Apotheken und andererseits Tagesmütter und
Einrichtungen, die häusliche Pflege anbieten. Verantwortlich für die
Kontrollen sind die Kommunen.
Im System für England, Wales und Nordirland gibt es sechs verschiedene Abstufungen, die von "0" (dringende Verbesserungen notwendig) bis "5" (sehr gut) reichen. Beurteilt werden:
Der hygienische Umgang mit den Lebensmitteln, d. h. wie werden die Lebensmittel gelagert, vorbereitet, gekocht und wieder aufgewärmt (Prozess).
Der Zustand des Gebäudes, dazu gehört z. B. die Einrichtung der Räumlichkeiten, die Sauberkeit und die Belüftung sowie Beleuchtung der Räume (Struktur).
Wie wird die Sicherheit der angebotenen Lebensmittel gewährleistet.
Jeder der Punkte wird einzeln bewertet, wobei Minuspunkte für schlechte
Hygienestandards vergeben werden. Die Summe der Punkte ergibt am Ende
die Leistungsbewertung. Je weniger Punkte vergeben wurden, desto besser
ist die Bewertung.
Schottland verwendet ein anderes System. Hier reichen die Bewertungen
von "bestanden und speisen" für Räumlichkeiten, die die gesetzlichen
Vorgaben zur Hygiene überschreiten, "bestanden" für diejenigen, die im
Großen und Ganzen die Anforderungen erfüllen, oder "Verbesserung
erforderlich" [2].
Das Ergebnis der Kontrolle wird dem Lebensmittelunternehmer mitgeteilt und auf der Internetseite des "Food Hygiene Rating Scheme" veröffentlicht. Dort kann es von der Bevölkerung eingesehen werden ( https://ratings.food.gov.uk/). Zusätzlich wird ein Zertifikat überreicht. Das Ergebnis der Kontrolle muss in Wales seit November 2013 in einem Lebensmittelbetrieb ausgehängt werden. Seitdem ist der Anteil der mit Null bewerteten Geschäfte von 0,6 % auf 0,2 % im Jahr 2016 gefallen [1]. Nordirland hat die Veröffentlichungspflicht am 7. Oktober 2016 ebenfalls eingeführt, während in Schottland und England die Bewertung nicht ausgehängt werden muss [2, 3].
Abbildung 1: Aushang der Kontrollergebnisse (Food Hygiene Rating Scheme)
Hängt kein Zertifikat aus, kann dies zwei Gründe haben: Das Unternehmen möchte eine schlechte Bewertung nicht anzeigen oder es wurde noch nicht bewertet. Um Letzteres den Kunden mitzuteilen, gibt es für neue Lebensmittelunternehmer einen Sticker mit der Aufschrift "erwarten Inspektion".
Ist der Lebensmittelunternehmer mit der Bewertung nicht einverstanden,
so kann er Widerspruch einlegen. In diesem Fall wird die
Veröffentlichung solange verzögert, bis eine Entscheidung getroffen
wurde. Außerdem kann nach Ablauf von drei Monaten eine erneute Prüfung
beantragt werden.
Zusätzlich hat der Lebensmittelunternehmer das Recht auf eine
Gegendarstellung, die zusammen mit der Bewertung veröffentlicht wird.
Wie oft eine erneute Überprüfung stattfindet, hängt von dem Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung ab, das durch das Unternehmen entstehen kann. Je höher das Risiko ist, desto häufiger wird eine Kontrolle durchgeführt.
In Deutschland kommt die Einführung einer Hygieneampel nicht so recht in Fahrt. Es gab Versuche in → Nordrhein-Westfalen, → Niedersachsen und → Berlin-Pankow. Aber die verpflichtende Veröffentlichung der Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle wurde anschließend von Gerichten gestoppt. Inzwischen gibt es einige vielversprechende Anläufe, wie etwa das → Hygienesiegel in Hamburg oder die Neuauflage des → Smiley-Systems in Berlin-Pankow. Dort sind seit November 2020 die aktuellen Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle online verfügbar. In → Berlin wurde Anfang 2023 ein Transparenzbarometer eingeführt.
In Hamburg können ab Mai 2018 Gastronomiebetriebe auf freiwilliger Basis ihre guten und sehr guten Ergebnisse bei der amtlichen Überwachung - das Hamburger Hygienesiegel - aushängen. Die Beurteilung findet nach einem bundesweit einheitlichen System statt. Nach einer Kontrolle wird anhand von drei Kriterien (Verhalten des Lebensmittelunternehmers, Verlässlichkeit der Eigenkontrollen und Hygienemanagement) die Risikobewertung durchgeführt. Für die Kriterien werden zwischen 0 und 80 Punkte vergeben, wobei die geringere Punktzahl besser ist.
„Sehr gut“ und „gut“ bekommt ein
Betrieb mit einer Punktzahl zwischen 0 bis 20 Punkten.
Ein „zufriedenstellend“ erhält ein Betrieb mit einer
Punktzahl zwischen 21 bis 40 Punkten.
Betriebe mit „ausreichend“ erzielen eine Punktzahl
zwischen 41 bis 60 Punkten.
„Nicht ausreichend“ ist ein Betrieb ab einer Punktzahl
von 61 Punkten.
Nach zwei bis drei Jahren soll das System evaluiert und eventuell für andere Anbieter geöffnet werden [9, 10].
hamburg.de: Hamburger Hygienesiegel.
Berlin-Pankow führte erstmals im Frühjahr 2009 ein Smiley-System ein. Für die Bewertung der Betriebe gab es fünf Abstufungen von "sehr gut" bis "nicht ausreichend". Bei den Kontrollen wurden Negativpunkte vergeben, je mehr Punkte ein Betrieb hatte, desto schlechter schnitt der Betrieb ab. Die maximale Punktzahl war 72. Als ein Pankower Lebensmittelbetrieb gegen die Veröffentlichung der Prüfergebnisse klagte und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Eilentscheidung am 28. Mai 2014 bestätigte, wurde die Liste aus dem Netz genommen.
Ende 2020 erlebte das Smiley-System eine Neuauflage. In dem neuen System werden Positivpunkte vergeben.
Bewertet werden unter anderem: die Personal- und Produktionshygiene, ob sich die Lieferwege zurückverfolgen lassen, die Einhaltung der Temperaturen für die Lebensmittellagerung (Kühlung) sowie das Schädlingsmonitoring und die Schädlingsbekämpfung. Ebenso gehen der bauliche und bauhygienische Zustand in die Bewertung mit ein und ob vorschriftsmäßig gereinigt und desinfiziert wird [12]. Seit November 2020 sind die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen unter dem Link https://pankow.lebensmittel-kontrollergebnisse.de/ wieder abrufbar [11]. Das Aushängen der Ergebnisse ist den Betrieben freigestellt [12].
Seit dem 1. Januar 2023 gilt in Berlin das Lebensmittelüberwachungstransparenzgesetz (LMÜTranspG) oder auch „Saubere-Küchen-Gesetz“. Herzstück des Gesetzes und der dazu gehörenden Durchführungsverordnung, ist die Einführung eines Transparenzbarometers. Dieses zeigt die Ergebnisse einer Kontrolle der amtlichen Lebensmittelüberwachung an. Zur Darstellung der Sauberkeit des überprüften Lebensmittelbetriebes dient ein Farbverlauf von Grün (sehr gut) über Gelb bis Rot (nicht ausreichend). Das Kontrollergebnis markiert ein Pfeil am Balkendiagramm. Unter dem Balkendiagramm stehen die einzelnen Beurteilungsmerkmale darüber hinaus in Textform. Die Ergebnisse sollen von den Lebensmittelbetrieben in der Nähe der Eingangstür angebracht werden. Zusätzlich werden die Ergebnisse voraussichtlich ab Mitte Februar 2023 im Internet veröffentlicht ( Ergebnisse amtlicher Kontrollen bei Lebensmittelbetrieben im Land Berlin) [13, 14, 15].
Am Mittwoch, den 15.2.2017 verabschiedete der Landtag
NRW das Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz (KTG). Das Gesetz trat am
22.3.2017 in Kraft und sah eine Übergangsfrist von 36 Monaten vor, bevor
die Betriebe die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle
veröffentlichen müssen.
Pressemitteilung
der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 15.2.2017
Hygiene Netzwerk (2017): Hygieneampel – ab heute (22.03.2017) in Kraft.
Die Betriebe sollten durch Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure geprüft und für gefundene Hygienemängel Risiko-Punkte erhalten. Je höher die Punktzahl, desto mehr Verstöße wurden gefunden. Die Einstufung in die farblich markierten Risiko-Gruppen grün, gelb und rot erfolgte anhand der vergebenen Punkte.
Unterteilung in die drei farblich unterschiedenen Risiko-Gruppen:
Ende August leitete das Landeskabinett das Verfahren für das "Gesetz zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen (Entfesselungspaket I)" ein. Mit diesem Entfesselungspaket I waren eine Reihe von Maßnahmen geplant. Unter anderem sollte das Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz ("Gesetz zur Bewertung, Darstellung und Schaffung von Transparenz von Ergebnissen amtlicher Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung KTG) - die sogenannte Hygieneampel - aufgehoben werden [7]. Bereits in den Koalitionsverhandlungen sprachen sich CDU und FDP für eine Abschaffung der „Hygieneampel“ aus [4]. Nach Ansicht des Hygiene-Netzwerks dürfte sich jedoch der Druck auf Deutschland erhöhen, ebenfalls eine Hygieneampel einzuführen, denn mittlerweile veröffentlichen 10 europäische Länder die Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung [5]. Darüber hinaus befürchtet das Hygiene-Netzwerk Wettbewerbsverzerrungen, weil bereits viele Gastronomen mit Aufklebern, auf denen ihnen eine sehr gute Hygienepraxis bescheinigt wird, werben. Noch nicht getestete Gastronomiebetriebe können nach Abschaffung der Hygieneampel aber nicht nachziehen [6].
Abbildung 2: Informationen über Ergebnisse von Betriebskontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung
Am Mittwoch, den 21.3.2018 verabschiedete der Landtag das erste Entfesselungspaket. Dadurch wurde die verpflichtende Hygiene-Ampel aufgehoben [8].
In Hannover und Braunschweig startete am 26. April 2017 die Pilotphase zur Einführung des Hygienebarometers. Die Ergebnisse der Kontrolle wurden in einer amtlichen Hygienebeurteilung dokumentiert. Dieses Dokument durften die Lebensmittelbetriebe zu Werbezwecken aushängen, eine Verpflichtung hierzu bestand jedoch nicht.
Das Pilotprojekt endete im Oktober 2017. Zwar erwies sich das freiwillige Hygienebarometer als praktikabel, jedoch hingen nur sehr wenige Betriebe (vier Prozent) die Ergebnisse des Hygienebarometers aus. Deshalb wurde Projekt nicht auf ganz Niedersachsen ausgeweitet.
Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Projekt Hygienebarometer.
Hygiene Netzwerk: "Vorbereitung auf die Hygieneampel - Leitfaden für die Beurteilung von Lebensmittelbetrieben". Zugriff am 31.05.2024
[1] Guardian News and Media Limited
(2016): ‘Mouse droppings were everywhere’: a day in the life of
a food inspector. Zugriff 23.1.2017
[2] Guardian News and Media Limited
(2016): Revealed: one in seven UK takeaways have failed food
hygiene tests. Zugriff 23.1.2017
[3] Guardian News and Media Limited
(2017): Hundreds of UK hotels fail food hygiene inspections.
Zugriff 22.2.2017
[4] Der Westen (2017): Koaltionsverhandlungen in NRW - „Hygieneampel“ wird
abgeschafft - diese weiteren Änderungen sind geplant. Zugriff
14.8.2017
[5] Hygiene Netzwerk (2017): Hygiene-Smileys nun auch in Frankreich. Zugriff am
14.8.2017
[6] WeltN24 GmbH (2017): Laschets Regierung will rot-grüne Altlasten schnell
loswerden. Zugriff am 15.8.2017
[7] Ministerium für Umwelt,
Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes
Nordrhein-Westfalen (2017): Landeskabinett bringt Abschaffung der Hygieneampel auf
den Weg. Zugriff am 20.10.2017
[8] Ministerium für Umwelt,
Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes
Nordrhein-Westfalen: Hygiene-Ampel mit Verabschiedung des ersten
Entfesselungspaketes aufgehoben. Meldung vom 22.3.2018. Zugriff am
6.4.2018
[9] Freie und Hansestadt Hamburg
(2018): Wie sauber ist Hamburgs Gastronomie? Zugriff am
6.4.2018
[10] Freie und Hansestadt Hamburg: Mit vorbildlicher Hygiene werben. Zugriff am
6.4.2018
[11] Berliner Morgenpost (Hrsg.) (2020): Hygiene im Restaurant: Pankow führt Smiley-Ampel wieder ein. Zugriff am 09.10.2020
[12] Bezirksamt Pankow von Berlin (Hrsg.) (2020): Verbraucherschutz: Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen wieder öffentlich. Zugriff am 04.11.2020
[13] FACETTEN-Magazin Neukölln: „Saubere-Küchen-Gesetz“ kämpft mit Anlaufschwierigkeiten. Zugriff am 21.02.2023
[14] WVEB – Wirtschaftsvereinigung der Ernährungsindustrie Berlin-Brandenburg: "Saubere-Küchen-Gesetz". Zugriff am 21.02.2023
[15] Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und KlimaschutzAbteilung Verbraucherschutz: Ergebnisse amtlicher Kontrollen bei Lebensmittelbetrieben im Land Berlin. Zugriff am 21.02.2023
Land Nordrhein-Westfalen (2017): Kontrollbarometer für Lebensmittel-Betriebe in NRW.
Zugriff 16.2.2017
Hygiene Netzwerk (2017): Hygieneampel – ab heute (22.03.2017) in Kraft.
Zugriff am 23.3.2017.
Niedersächsisches Ministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2017): Hygienebarometer. Zugriff am 11.10.2017
James Meikle: National scheme to grade the hygiene of food outlets
aims to cut rates of illness, The Guardian, Dienstag
30. November 2010
Food hygiene rating
scheme, Environmental Health Services, Exeter City Council
What is the Food Hygiene Rating Scheme? Newark and
Sherwood District Council
Food hygiene ratings, Food Standards Agency
Martin Teigeler (2016): Gesetz gegen Ekel-Essen: NRW will Hygiene-Ampel.
Westdeutschen Rundfunk (WDR). Zugriff am 9.9.2016
Bezirk Pankow zieht Smiley-Liste aus Internet zurück.
Berliner Morgenpost vom 12.06.2014
Hygiene-Ampel für NRW-Städte: Wie sauber sind
Bielefelds Restaurants? WDR, Stand: 05.12.2013
Das Smiley Projekt im Bezirk Pankow, Stand der
Kontrollergebnisse vom vom 13. Dezember 2013
aid-Newsletter 26/12 vom 27.06.2012