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Warum besteht die Ansicht, dass Computer Technologie seien, Nähen aber nicht?

Ein Plädoyer für Ehrlichkeit im Umgang mit Technologie vom Schweißen bis zum Zuckerguss auf dem Kuchen; es ist höchste Zeit, Männer und Frauen angemessen zu würdigen.

NaehmaschineEs gibt in unserer Gesellschaft das Vorurteil, dass Frauen und Technik zwei Welten seien. Sehen Sie sich Bilder von App-Designern, Schlossern, Flugzeugingenieuren oder Raketenwissenschaftlern an; höchstwahrscheinlich werden Sie Männer auf den Fotos sehen. Das ist irritierend, aber ich denke, das ist nur ein Teil des Problems. Ein anderer Aspekt ist, dass wir Tätigkeiten, die als "typisch weiblich" gelten, nicht mit Technik oder Technologie in Verbindung bringen, auch wenn das durchaus passend wäre.

Technologie (griech. Gewerbskunde) ist nach Meyers Großem Konversations-Lexikon definiert als "die Lehre von den Mitteln und Verfahrungsarten zur Umwandlung der rohen Naturprodukte in Gebrauchsgegenstände". (Lexikon: Technologie. Meyers Großes Konversations-Lexikon [1905], S. 194652 [vgl. Meyer Bd. 19, S. 366])

Männer haben kein Monopol darauf, Verfahren zu entwickeln und Werkzeuge zu handhaben, um etwas Praktisches zu tun. Das ist weder heute zutreffend noch war es dies in der Vergangenheit.

Sie verlassen die Internetseite Ada Lovelace, deren Arbeit im 19. Jahrhundert die Entwicklung moderner Computer inspirierte, fällt uns schnell als Vorbild ein. Aber es gibt so vieles, was näherliegend ist. Meine polnische Oma hatte eine Singer-Nähmaschine mit Fußantrieb. Sie war in einen kleinen hölzernen Tisch mit dekorativen Beinen eingebaut. Ich habe diese Maschine immer geliebt, weil viel von der Mechanik freilag und ich sehen konnte, wie es funktioniert. Jetzt steht diese Nähmaschine in meiner Wohnung und ich mag sie aus demselben Grund, aus dem ich große Dampfmaschinen liebe. Es ist genial.

Ich kenne mich mit Nähen aus und ich mag es, Dinge aus Stoffen herzustellen. Das ist ebenfalls genial. Ich habe viele Jahre gebraucht, bevor mir klar wurde, dass die meisten Menschen in unserer Gesellschaft die Liebe zur Mechanik und die Liebe zum Nähen in unterschiedliche Schubladen sortieren. Bei Mechanik denken wir an Hebel und Räder und Getriebe und jedermann begreift das als Technik. Aber Nähen gilt als weiblich. Es wird auf geheimnisvolle Art und Weise der Kategorie Technik entzogen und damit irgendwie obskur.
Wenn Sie das nächste Mal Wäsche waschen, dann sehen Sie sich einmal genau an, wie ihre Kleidungsstücke hergestellt wurden. Das ist Technik in Aktion: Die Stoffe müssen in der richtigen Ausrichtung zum Fadenlauf geschnitten werden, sodass sie ordentlich hängen und sinnvoll dehnbar sind. Flache Stoffbahnen müssen so zusammengefügt werden, dass das Kleidungsstück zu einem Menschen passt, der sich in drei Dimensionen bewegt. Gewebe können mit verschiedenen Maschinenstichen zusammengefügt werden, die unterschiedlichen Anforderungen genügen. Und dann wird all dieser Konstruktionsaufwand verborgen, sodass er auf den ersten Blick unsichtbar bleibt.
Diese praktische, technische Arbeit als weiblich oder auch männlich zu bezeichnen ist ausschließlich eine Frage der Kultur. Es hat nichts damit zu tun, welche Fertigkeiten nötig sind, um die Arbeiten zu verrichten. Sobald ich meine Perspektive veränderte und einen nüchternen Blick auf die Fähigkeiten und auf die technischen Fertigkeiten warf, die dafür nötig sind, anstatt auf unsere kulturellen Prägungen, fiel es mir schwer noch zu entscheiden, ob etwas "für Mädchen" oder "für Jungen" gelten sollte.

Beim Blick zurück in die Geschichte ist zu erkennen, dass viele der Tätigkeiten, die traditionell von Frauen verrichtet werden, technischer Natur sind. Vor einigen Monaten durfte ich lernen, wie geschweißt wird. Der etwas altmodische Schlosser, der mir zeigte, wie es geht, war sehr überrascht, wie schnell ich die Handgriffe einüben konnte. Noch viel überraschter war er, als ich ihm erklärte, dass die Körperhaltung beim Schweißen und die nötigen Handgriffe dem ähneln, was beim Dekorieren eines Kuchens mit Zuckerguss nötig ist. Frauen haben hier keine großen Hürden zu überwinden. Frauen haben bewiesen, dass sie solche Tätigkeiten ausführen können. Wir haben die Ähnlichkeiten bisher nur selten wahrgenommen. Die Geschichte ist voll von Beispielen, die das zeigen. Das sind nicht nur die Frauen, die die Computer bedienten und die Kalkulation erstellten, die nötig waren, um den ENIGMA-Code zu brechen, nicht nur die Näherinnen, die die ersten Raumanzüge der NASA zusammenfügten. Nähen, Stricken, Kochen oder die Herstellung von Schmuck ist logischerweise als Technik zu verstehen.
Ist es niemandem sonst aufgefallen, dass mit dem Auftauchen von Starköchen in der Öffentlichkeit auch Rührgeräte und Mixer plötzlich in gebürstetem Stahl angeboten wurden? Es ist die gleiche Maschine, aber wenn sie aus einem Material hergestellt wird, das irgendwie "industriell" aussieht, fällt es den Männern plötzlich leichter, die Küche zu erobern. Hier geht's um Aussehen, nicht um Substanz. Wir essen alle. Es gibt keinen Grund, warum das eine Geschlecht die Zubereitung des Essens besser bewältigen können sollte als das andere. Hier geht es um Kultur, nicht um Fähigkeiten oder Willen.

Es ist an der Zeit, Ehrlichkeit walten zu lassen, wenn es um Technik geht und allen die Anerkennung zukommen zu lassen, die sie verdienen. Es ist Erziehung und nicht Vererbung, die Frauen vom Schweißen und Männer vom Dekorieren eines Kuchens abhält. Wir können es uns nicht leisten, die eine Hälfte der Menschheit von Tätigkeiten abzuhalten, die nötig sind, um die Welt "besser" zu machen. Die Geschichte zeigt uns, dass beide, Frauen und Männer, hervorragend mit Technik umgehen können. Lassen Sie uns das feiern – vorzugsweise, indem wir einen Becher aus dem 3-D-Drucker heben, der mit hausgemachtem Heidelbeerwein gefüllt ist. Prost!

Der Originaltext erschien am 7. Oktober 2013 im Guardian
Helen Czerski: The view that computers are technology but sewing isn't is a sexist stitch-up.
The Guardian, Monday 7 October 2013

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